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Zweifel an Vielfalt bei Privat-TV

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Weil sich „Vielfalt" so gut auf „Einfalt" reimt, haben es zumindest jene Kommentatoren leicht, die kritisch in eine mögliche Privat-TV-Zukunft blicken. Die Gegenseite kontert entsprechend: Medienfreiheit, heißt es bei ihnen, ist ein Maximum an Programmveranstaltern, die von einem Minimum an Auflagen und Vorschriften belästigt werden.

Das wieder bezweifeln die Erste-ren. Es kann doch wohl nicht der Sinn von „Freiheit" sein, den TV-Konsumenten nonstop mit dümmlich-absurden Serien vollzustopfen, in denen das kollektive Hauen und Stechen oder die ergreifendsten Herz-Schmerz-Szenen zwischen schnittigem Arzt und busiger Krankenschwester in 5-Minuten-Interval-len von Lobgesängen über Hundefutter und Waschpulver unterbrochen werden.

So wogt nun die Diskussion zwischen Befürwortern des öffentlichrechtlichen Organisationsmodells für den Rundfunk, von ihren Gegnern gern mit dem wenig kleidsamen Attribut „Monopolisten" belegt, und den Verfechtern des Privat-TV hin und her - und das seit Jahren.

Wobei aber die wichtigsten Fragen bisher unbeantwortet blieben. Etwa: Wie entgeht ein auflagenfreies Privatfernsehen im Konkurrenzkampf um Einschaltzahlen, die gleichzeitig den Index für Werbeeinnahmen darstellen, der zwangsläufigen Pro-grammverflachung? Wie verkraften die Printmedien den Abfluß der Werbeschillinge in Richtung Bildschirm? Wie verhindert man das Entstehen von unkontrollierbaren Meinungsmonopolen, wenn etwa kapitalkräftige Verleger ins TV-Geschäft einsteigen? Welche Auswirkungen hat die über dreißig und mehr Kanäle ins Haus sprudelnde Programmflut auf Freizeitverhalten, Familienleben, Kindererziehung und Bildungsstand?

Die Antworten lassen sich finden, in den USA etwa, wo es die schrankenlose „Medienfreiheit" wirklich gibt und diese bereits etliche Sekundärliteratur nach sich gezogen hat, die so bezeichnende Titel wie „Die Droge im Wohnzimmer" oder „Schafft das Fernsehen ab" trägt. Einer Umfrage zufolge wollen dortzulande bereits 44 Prozent der Kinder zwischen vier und sechs Jahren den Bildschirm lieber als den eigene Vater.

Oder in Italien, wo kürzlich der Hauptgewinn eines erotischen TV-Gewinnspiels eine Nacht mit einer der nackten Schönen war, die allnächtlich die Mattscheiben bevölkern! Kein Zweifel, daß bei derartigem Firlefanz die Einschaltziffern und damit das Werbegeschäft stim-

men. Der Rest allerdings ist Schweigen.

Mitnichten, tönt es nun aus dem Kreis der Privat-TV-Fans, es gibt da ja nicht nur das amerikanische und das italienische Beispiel, sondern auch das britische Independent Te-levision (ITV), das beweist, daß auch Privatfernsehen anspruchsvoll sein kann. Und tatsächlich: ITV macht spritziges, hautnahes Fernsehen.

Allerdings: als Beispiel für auflagenfreies Privat-TV läßt sich ITV nicht verwenden. Eine von der Regierung eingesetzte Kontrollbehörde vergibt die Lizenzen an die in der ITV zusammengeschlossenen regionalen Privatgesellschaften, sie übt scharfe Programmkontrolle aus. Wer bei der Kontrolle nicht entspricht, erhält keine Lizenz mehr, die alle sechs Jahre erneuert werden muß. Das Statut der ITV führt 43 Punkte auf, denen die Werbung unterliegt und die (nicht geringen) Gewinne der ITV werden massiv besteuert.

Dieses Beispiel zeigt nur die Notwendigkeit von Programmauflagen. Überall, wo Fersehen privatwirtschaftlich ohne Auflagen betrieben wird, kommen hochwertige Information, Kulturprogramme und Minderheiten unter die Räder. Die Informationsvielfalt besteht - wie die USA zeigen - nicht.

Ob viele österreichische Interessenten an einer Privat-TV-Anstalt, die gleichen Auflägen wie der ORF unterworfen wäre, Gefallen finden würden? Der ORF jedenfalls ist der größte Radio- und Fernsehproduzent im deutschen Sprachraum, er bietet täglich drei Radio- und zwei Fernsehprogramme mit 120 Radio- und 15 Fernsehstunden.

Private Programmveranstalter könnten sicher im Bereich des Kabelfernsehens erwünscht sein - wer aber wird diese Programme bezahlen? Die Werbewirtschaft auf Kosten der Zeitungen? Sicher nicht der Konsument, der heute schon hohe ORF-Gebühren zu bezahlen hat und in Hinkunft auch noch für die ausländischen Programme zur Kasse gebeten wird.

Die technische Entwicklung wird manches klären. Teletext und Bildschirmzeitung, lokales Kabel-TV, Satellitenfernsehen werden sicher nicht nur von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt gemacht werden können und dürfen. Wer sich aber mit aufgepflanztem Bajonett und Hurra-Geschrei kopfüber in eine nur mehr unzureichenden Marktmechanismen folgenden Privat-TV-Landschaft stürzt, läuft Gefahr, ein Schlachtfeld zu hinterlassen, auf dem kein Gras mehr wächst.

(Die Serie wird fortgesetzt.)

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