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Zweifelhafte Königsmacher

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Auch der „Maulkorberlaß” des abtretenden Parteiobmannes stoppt nicht die Führerdiskussion in der Volkspartei: der Vorstoß des steirischen ÖAAB-Obmannes Wegart war bisher zwar der spektakulärste Ausflug in die Öffentlichkeit, doch spielt sich, fast wie in einer Richard-Wagner-Oper, auf der ÖVP-Bühne ein munterer Feuerzauber ab.

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Auch der „Maulkorberlaß” des abtretenden Parteiobmannes stoppt nicht die Führerdiskussion in der Volkspartei: der Vorstoß des steirischen ÖAAB-Obmannes Wegart war bisher zwar der spektakulärste Ausflug in die Öffentlichkeit, doch spielt sich, fast wie in einer Richard-Wagner-Oper, auf der ÖVP-Bühne ein munterer Feuerzauber ab.

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Der politische Ausschuß, der nun entscheiden soll, wen man den Delegierten vorschlägt, wird allerdings auch nicht den Stein des Weisen finden. Aber Wegarts lauter Vorstoß signalisiert nicht allein steirische Husarenritte, sondern einen abgesprochenen Vorstoß der Bundesländer im Westen und Süden. Es formiert sich wieder einmal die Front der Föderalisten, das war schon 1960 bei der Ablöse von Ing. Raab nicht anders. Damals schon spielte der steirische Landeshauptmann Krainer einen wichtigen Königmacher; un( es waren die westlichen Bundesländer, die damals den Steirei Dr. Gorbach in den Obmannsesse! hoben. Drei Jahre später wiederholte Tst®

steirischen’L! V olkspärtteimafrifeiv J ‘die ihren eigenen Landsmann Gorbacl im Stich ließen und auf einen „Harten” vertrauten: auf den Salzburgei Klaus, der gegen den Wiener Drim mel am Klagenfurter Herbstparteitag zum Ersten Mann gekürt wurde Die „Landesfürsten” sind es aucl heute wieder, die eine Art Gesundbad für die Zentrale versprechen wenn nur ihr Mann 7,1 im Zu® kommt

\Tur daß sie es diesmal schwerer äaben zu entscheiden, wer über- įaupt ihr Kandidat ist.

Dabei erinnert man sich in den löheren Parteirängen noch gut laran, welche Rolle die gleichen .Landesfürsten” einnahmen, als der Mleinregierungskanzler Klaus die :rsten schweren Probleme zu lösen latte. Aufgescheucht durch eigene ichlechte Wahlergebnisse in ihren Bundesländern, vor allem in Oberisterreich, den Städten Klagenfurt,

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1967/68 mehr direkt als indirekt die Resignation von Klaus, den sie auf diese Weise zur Erklärung der „Hofübergabe” zwangen. Damals war Hermann Wjthalm, der „Eiserne Hermann” im Generalsekretariat, plöt2lh!fi’ *dėf • Mann der Bundes^- länder. Den gleichen Withalm aber ließen sie fallen, als es nach der verlorenen Nationalratswahl 1970 darum ging, eine Front zu bilden, um geschlossen den Gang in die Opposition anzutreten und die Partei zu reformieren. Schon am Parteitag im Mai 1970 konnte man ganz ungeniert die Delegierten aus wesentlichen Bundesländern an der Hof burgbar davon reden hören, daß Hermann Withalm ja nur eine Übergangslösung sei: es war der Anfang der eigentlichen Leidensgeschichte der ÖVP.

Die „Landesfürsten” aus dem Westen haben auch heute wieder ein Patentrezept bei der Hand. Man möge, so lautet der stereotype Grundsatzrat, es doch in Wien ebenso machen wie in ihren Bundesländern. Nimmt man sich aber die Mühe, diese „Landesfürstentümer” ein wenig näher zu durchleuchten und den Zustand der Volkspartei westlich der Enns und südlich des Semmerings zu erforschen, tauchen die interessantesten Details auf.

Da sind als lautstarke Königmacher vor allem der steirische und der Tiroler Landeshauptmann tätig, Beide stehen an der Spitze von Bundesländern, die längst den Strukturwandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft durchgemacht haben. Tirol etwa ist heute schon zwischen Kufstein und Landeck eine Industriezone. Längst bestimmt nicht mehr das bäuerliche Element das Land am Inn. Und in zehn Jahren, so meint der Raumordnungsbericht 1969, wird Tirol im Inntal und einigen Seitentälern eine der dicht- bebautesten Stadtlandschaften

Österreichs aufweisen. Aber noch immer steht an der Spitze der Tiroler ÖVP unangefochten ein Bauern- bündler, der zwar ungezählte Verdienste um sein Bundesland hat, aber dennoch, so hört man in Innsbruck, wieder einen Bauembündler als Nachfolger lanciert. Dabei kann weder das Tiroler Ergebnis vom 1. März 1970 noch das der Landtagswahlen vom 4. Oktober 1970, noch das von den letzten Bundespräsidentenwahlen als schmeichelhaft angesehen werden. Dem Strukturwandel trägt rpąn in der Tiroler ÖVP-Führunjg praktisch keine Rech- 5 nüttg. ^die’ Pätnarchen ‘feleifeėrtl bas sind in den kleinen Gemeinden die Großbauern oder die großen Wirte als Parteiobmänner und Bürgermeister, jene Funktionäre, die mit ein Grund lokaler Verärgerung über die Bonzengesinnung einer verstaubten Bürgerpartei sind.

Gar nicht unähnlich präsentiert sich die Steiermark. Seit fast zwei Jahrzehnten regiert der Bauembündler Krainer die grüne Mark, obwohl das Mur- und Mürztal, das Grazer Becken, ja selbst die zunehmend industrialisierte Oststeiermark längst von einem totalen Strukturwandel ergriffen sind, in dem die Arbeitnehmer dominieren.

Hat aber Krainer so große Erfolge für die ÖVP? Nur mit Bitterkeit erinnert man sich anderswo an das Auslassen der Steiermark bei der Bundespräsidentenwahl 1965, als es die Steiermark war, die praktisch einen Sieg Gorbachs verhinderte. Und man erinnert sich auch daran, daß am 1. März 1970 mehr Steirer SPÖ statt ÖVP wählten. Der anschließende Sieg bei den Landtagswahlen (wo Krainer die absolute Landtagsmehrheit verlor) ist zwar der einzige Teilerfolg der ÖVP seit vier Jahren überhaupt — aber geht doch weitgehend auf eine „Schockwirkung” zurück, weil diese Landtagswahlen nur vierzehn Tage nach den Nationalrats wählen vom März 1970 stattfanden (wie spätere Wahlanalysen ergaben).

Es sollte einmal klar ausgesprochen werden: In den westlichen und südlichen Parteileitungen der ÖVP weht keineswegs ein frischerer oder zeitgemäßerer Wind. Dort sind die Bündestrukturen noch erheblich versteinerter als in Wien oder Niederösterreich, wo man seit Jahren auch die Last einer ständigen harten Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner tragen muß, wie er anderswo unbekannt ist. Viele in der ÖVP sprechen daher das aus, was kürzlich sogar ein Abgeordneter aus Salzburg selbstkritisch meinte: „Die Landesfürsten sollten zuerst ihren eigenen Hof ausmisten, bevor sie anderswo Ratschläge geben, die zu nichts taugen — weil man ja sowieso erwartet, daß auch der Nächstgewählte in Wien stolpert…”

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