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Zweitausend Jahre Weihenacht

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Es ist seit langem Tradition und liebgewordene Gewohnheit, die Weihnacht, das Fest der Geburt Christi, in der Nacht vom 24. zum 25. Dezember zu feiern. Wann Jesus jedoch wirklich geboren wurde, ist trotz vielfacher Forschungen bis heute unbekannt. Wie aber kam es dann zur Einrichtung des Festes zur Zeit der Wintersonnenwende, die während der hellenistisch-römischen Antike auf den 24./25. Dezember fiel? Von den in den Evangelien gegebenen Berichten erfahren wir in bezug auf Tag und Monat der Geburt gar nichts, sondern nur, daß Jesus zur Zeit des Königs Herodes in einem Stall in Bethlehem geboren und von seiner jungfräulichen Mutter in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt wurde. Eine äußerst knappe und karge Darstellung, die die Frage, woher nun all die vielen Bilder und Gedanken stammen, die wir ganz selbstverständlich mit der Weihnacht verbinden, ebenso in den Vordergrund drängt, wie jene, warum das Fest mit all den vertrauten Bräuchen vom lichtertragenden Baum, den Geschenken, den eigens hergestellten

Bäckereien gerade am Abend des 24. Dezember gefeiert wird.

Während der ersten drei Jahrhunderte nach dem Auftreten Christi kannte die Kirche das Fest von der Geburt Jesu nicht. Tod und Auferstehung des Erlösers waren ihr, der Heilsgeschichte gemäß, allein wesentlich.

Erst nachdem Kaiser Konstantin (306-337) die neue christliche Religion anerkannt hatte und seinem Re-

gierungskonzept gemäß bestrebt war, sie einerseits kampflos den Traditionen des Römischen Reiches einzufügen, anderseits eine alles vereinigende panrömische Religion zu schaffen, wurde der „historische“ Tag der Geburt des neuen christlichen Gottes von Bedeutung. Konsequenterweise mußte er auf den 25. Dezember gelegt werden, da seit alters her an diesem Tag und der ihm vorangehenden längsten Nacht des nun wieder wachsenden Sonnenlichtes gedacht wurde und die Geburt einer Vielzahl von Göttern, die alle das Licht brachten, gefeiert wurde. Im hellenistisch-ägyptischen Bereich feierte man während dieser längsten Nacht, nach der das Licht zu steigen beginnt, die Geburt des Dionysos, des Osiris und der Isis, des Aion und schließlich des Sonnengottes Helios selber.

Die Römer nannten dieses Fest „Helios' Geburtstag und Aufstieg des Lichtes“ und übernahmen es in den eigenen Festbereich, in dem am ' 25. Dezember an erster Stelle die Geburt des Sol Invictus, des unbesiegbaren Sonnengottes gefeiert wurde.

Am gleichen Tag gedachten die römischen Soldaten der Geburt des persischen Sonnengottes Mithras. Weiterhin feierte man am 1. Januar das Fest des Gottes Januarius, der dem Lichtgott Apollo gleichgesetzt war und von dem man auch eine Verbindung zu Aion, dem Zeit-Ewigkeits-Gott, fand. Man feierte ihn mit Bäumen, Kränzen und Zweigen, die Lichter trugen, und mit Geschenken, wie Bücher, öllämpchen, Wildbret und

Meeresfrüchten, Datteln, Feigen und Honiggebäck, die vom Land in die Stadt und umgekehrt an Freunde und Verwandte gesandt wurden.

Gerade diese letzteren Dinge äußeren Brauchtumes wurden zwar erst zur Zeit des Papst Eugens IV. im 15. Jahrhundert mit dem Weihnachtsfest verbunden, insgesamt aber war es der Zeit des für das erstarkende Christentum so bedeutungsvollen Kaisers Konstantin vorbehalten gewesen, Helios, den Sonnengott, und all die anderen Lichtgötter zu entthronen und Sonnenr glauben und Sonnenfrömmigkeit der antiken Welt in einem neuen christlichen Lichtmysterium zur Erfüllung zu bringen. Die Sonnengötter wurden durch den Gott, der die Sonne erschaffen hat, und der selbst die Sonne der Gerechtigkeit ist, ersetzt.

Hymnen des 4. Jahrhunderts besingen den Sieg der neuen Sonne, die Christus, der Sol novus, ist. In den ersten Bildern der Geburt Jesu aber fehlen Sonne und Licht, fehlt der Einfluß antiker Tradition. Streng gefaßt ist das Geburtsbild, allein auf die heilsgeschichtliche Tatsache hingerichtet, daß ein Kind, das einst zum guten Hirten werden sollte, der der Welt das Heil bringt, im Stall von Bethlehem geboren wurde.

Zuerst fand die Szene auf frühchristlichen Sarkophagen ihren Platz und dort, dem Erlösungsgedanken zufolge, am Deckel; knapp und klein-räumig (Abb. D.Unter einem auf Säulen gestützten und mit Ziegeln gedeckten Wetterdach, so wie es die römischen Hirten kannten, ruht das in ein Tuch eingeschlagene Kind auf der Krippe, der Form nach einem Korb ähnlich, aber als Mauerwerk behandelt. Wohl ähnlich gestaltet jenem Platz, auf dem üblicherweise das Futter für die Tiere aufgestreut wurde. Miteinbezogen unter das Dach, sind nur Ochs und Esel, nicht aber um den „Stall“ zu beleben, sondern vielmehr um das Geschehen in den Zusammenhang der Testamente zu setzen. Denn beim Propheten Isaias steht geschrieben (1,3) „Es erkennt der Stier den Besitzer, seines Herrn Krippe der Esel, nur Israel hat keine Erkenntnis, mein Volk keine Einsicht“. Der Prophet Habakuk weiß, daß der Herr inmitten seiner Tiere sein Werk lebendig werden ließ und somit fanden von den frühesten Bildern an, unwandelbar durch all die Jahrhunderte, Ochs und Esel ihren festen Platz an der Krippe. Unmittelbar neben den Stall oder das Wetter-

dach stellten die Römer einen Hirten, der die rechte Hand erhob, um Zeugnis von dem Geschehen zu geben, an dem Maria und Joseph keinen Anteil haben. Abseits, getrennt durch eine Palme, sitzt die Gottesmutter, den Knaben am Schoß, die Huldigung der Magier empfangend.

Später erst, nach dem Konzil von Ephesos (431), das sie zur Gottesge-bärerin erhob, wird sie vor allem in östlichen Bildern zum Zentrum der Darstellung, verbunden mit schwer erkenn- und lesbaren theologischen Spekulationen.

Ganz anders sieht das nachkarolin-gische konsolidierte Westreich das

Geschehen um die Geburt des Heilands. Tragender Gedanke des abendländischen Weihnachtsbildes war seit dem 10. Jahrhundert die zärtliche Verbindung der Mutter Maria zu ihrem Sohn Jesus in vielfach variierter Weise immer wieder aufs neue zu zeigen.

Im Geburtsbild einer totonischen Handschrift aus dem Jahre 980, die auf der Insel Reichenau entstanden war, steht Maria, das Kind herzlich umarmend, neben der Krippe, einem altarartigen Aufbau, voll des Bezuges zum eucharistischen Opfer, in dem sich Kommen, Erlösungstod und ewiges Bleiben des Heüands schließen.

Nach diesem, schon auf mystische Betrachtung gerichteten Anfang des Sehens eines Weihnachtsbildes war es Bernhard von Claireaux (1090 bis 1130) gewesen, der oft mahnend und einläßlich von dem Kindlein sprach, das arm und elend in einer kalten Winternacht geboren wurde und dessen Elend immer wieder aufs neue erlebt werden sollte in der betrachtenden Versenkung in das Leid, das Maria und ihr Kind erfüllt haben mag. Ein Gedanke, der etwa 200 Jahre später vom hL Franziskus aufgegriffen und weiter aufgebaut wurde. Er vollzog im Jahre 1223 zur Mitternacht des 24. Dezember im Walde von Greccio im Rieti-Tale im Kreise seiner Mitbrüder des Geschehen nach und predigte so lange, bis alle Umstehenden von der Vision vom armen Christkind erfaßt und mitgerissen waren und er den Gläubigen den Weg weisen konnte, sich in das Kind, das zwar im tiefsten Elend geboren, aber doch Gott war, zu versenken, so daß sie sich mit ihm zu vereinigen imstande waren.

Erstmals im Bilde voll durchgeführt hat dieses Geheimnis franziskanischer Mystik, freilich unter Einbeziehung noch anderer literarischer Quellen seiner Zeit, Giotto im Ge-

burtsfresko der Arenakapelle zu Padua (1305-1310) (Abb. 3). In freier Landschaft, geschützt nur durch ein Wetterdach, das alte römische „Tu-gurium“, das dem Florentiner wohl durch Sarkophagreliefs bekannt gewesen sein mag, nimmt' Maria das gewickelte Kind aus den Händen ei-. ner Hebamme. Joseph, am heiligen Geschehen nicht beteiligt, ist eingeschlafen, östliche theologische Spekulationen und westliche Einfalt verbinden sich in der Art der Josefs-Darstellung mit franziskanischer Demut, die verlangt, daß der Heilige abseits vom eigentlichen Geschehen am Boden hockt.

Vor allem Künstler aus den Niederlanden standen während des 15. Jahrhunderts allen nicht kanonischen, das Mögliche und Spekulative ausschmückenden Texten besonders offen gegenüber. Roger van der Wey-den etwa verbindet in seinem um 1450 gemalten Altarbild (Abb. 2) Motive dieser Art: Das jungfräuliche, weißgewandete Mädchen Maria betet das vor ihr am Boden liegende nackte

Kind an, gegenüber einer Säule, die den zerfallenden Stall stützt, und an die gelehnt sie schmerzlos geboren hatte. Dazu aber kommen noch weitere Motive, so Joseph, der seine Kerze schützt, die gegenüber dem lichten Kind keinen Schein gibt, das Gitter vor ihm, Einblick in die Geburtsgrotte und den Kerker Christi zugleich in Hinblick auf das Erlösungswerk wie auch die Öffnung unter den Knien des Stifters, die Geburtshöhle und Hadeshöhle sein soll - Anfang und Ende des Wirkens Christi in der Welt.

Immer mehr wird in den Werken der bildenden Kunst die Heilsgestalt Jesu in den Vordergrund gestellt. Bis schließlich in der Malerei um die Mitte des 17. Jahrhundert Christus als neugeborenes selbstleuchtendes Licht erkannt wird. In Rembrandts Hirtenanbetung wird durch das Leuchten des Kindes allein, durch die Tatsache, daß das göttliche Kind einzige Lichtquelle im Raum ist, aus einer Genreszene ein tiefreligiöses Bild mit der vollen Erfassung der seit je verkündeten Wahrheit von der Geburt des Lichtes. Christus hat als „Sol Novus“, als neue Sonne, als der, der die Sonne erschaffen hat und der selbst die Sonne der Gerechtigkeit ist, eine gültige Darstellungsform gefunden. Ini Nachtbild des Barock wurden alle jene Überlegungen konstantinischer Zeit, die einst zur Einführung des Weihnachtsfestes geführt hatten, voll verwirklicht.

In ihrem bahnbrechenden Werk „Weihnachtsbilder im Wandel der Zeit“, erschienen im Schroll-Ver-lag (1978), untersucht die Kunsthistorikerin Hanna Egger die neuesten ikonographischen Erkenntnisse zur Abbildung der Krippe in Betlehem. Für die FURCHE schrieb Hanna Egger eine Zusammenfassung ihrer Arbeit.

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