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Zweitehe?
Angesichts der vielen zerbrochenen Ehen mit all den leidvollen Konsequenzen für die Ehepartner und Kinder ist die unbedingte Forderung Jesu: Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen, von höchster Aktualität. Oft wird es als unmenschliche Härte erfahren, daß Frauen oder Männern, deren Ehe gescheitert ist, mit der Berufung auf dieses Wort Jesu eine Wiederheirat von der Kirche verwehrt wird. Nicht wenige fragen sich: Hat Jesus dies wirklich so gewollt?
Alle, die die Worte Jesu ernst nehmen, geben zu, daß die Forderung Jesu nach unbedingter Liebe und Treue in der Ehe wörtlich zu nehmen ist. Jeder Christ ist verpflichtet, sich an diesem Ziel zu orientieren. Was aber ist, wenn mit oder ohne Schuld der Partner die Ehe scheitert?
Gibt es Situationen, wo trotz Ehescheidung eine Wiederheirat möglich ist?
Bei Matthäus gibt es — zumindest nach Meinung vieler Experten — eine-Aus nähme: nämlich, „wo ein Fall von Unzucht vorliegt“ Mt 5J2. Diese sogenannte ,J£heschei-dungsklausel“ ist für die orthodoxe Kirche ein Fundament dafür, daß sie im Falle von Ehebruch oder ähnlicher Vergehen eine neue Ehe gestattet.
Andere christliche Kirchen betrachten die Forderung Jesu nach Unauflöslichkeit der Ehe als ein Zielgebot, dessen Erfüllung nicht durch Gesetze gesichert werden kann. So entfielen zum Beispiel 1984 in Deutschland lOß Prozent der evangelischen Trauungen auf Paare, bei denen ein oder beide Ehepartner geschieden waren.
Auch die katholische Kirche mußte zurKenntnis nehmen, daß Ehen unheilbar zerbrechen; deswegen gab es schon im alten Kirchenrecht die Möglichkeit der Trennung von Tisch und Bett. Aber sie hielt immer daran fest — ähnlich auch die anglikanische Kirche —, daß eine unter Christen geschlossene und vollzogene gültige Ehe grundsätzlich unauflöslich ist. Und weil sie gültig und ein Sakrament bleibt, auch wenn sie zerrüttet oder zerbrochen ist, ist eine Zweitehe nicht möglich.
Dadurch entsteht für manche Christen eine fast ausweglose Situation. Die Eheprozesse, wo die Nichtigkeit der Erstehe erklärt werden kann, sind nur für wenige ein Ausweg.
Angesichts der gegenwärtigen Situation ist die Frage, wie heute eine glückliche und sinnerfüllte Ehe und Familie gelebt und gefördert werden kann, zweifellos wichtiger als die Frage, ob eine kirchliche Zweitehe gestattet ist.
Trotzdem wäre es gut zu wissen, wie Jesus selbst in dieser Frage heute entscheiden würde.
23. Teil einer Serie über die Lebensrelevanz der Zehn Gebote.
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