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Zwentendorf? Nein danke

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Es ist soweit: Frau und Herr Österreicher sollen eine Beseitigung der Volksabstimmung vom 5. November 1978 (volks)begehren. Selbst für sehr flexible Menschen mag das ein wenig früh kommen: Dem Bewußtsein ist das von einigen Spitzenpolitikern im Gefolge des Harrisburg-Desasters erteilte Lob über die „weise Entscheidung" des Österreichers vom 5. November 1978 noch nicht entglitten.

Auch die Erinnerung an zwei Kanzlerkandidaten, die sich nach Harrisburg und vor laufender Fernsehkamera gegenseitig zu überbieten versuchten, den Gedanken an eine Nutzung der Kernenergie auf österreichischem Boden von sich zu weisen, ist noch wach, wenn auch der eine gänzlich und der andere zum Zweck der erneuten Meinungsäußerung in dieser Frage sich auf seine Privatperson zurückgezogen hat.

Warum also die Eile? Eine mögliche Antwort stammt vom Präsidenten der Gesellschaft für Energiewesen, Außenminister a. D. Gruber: Wenn Zwentendorf nicht bald aufgesperrt würde, so könne man es vergessen, es würde bald überaltet sein. Schnell ist der Fortschritt der Kerntechnik!

Es geht aber nicht um Zwentendorf, sondern darum, ob wir in Zukunft Kernkraftwerke errichten und betreiben sollen oder nicht. Begehrt werden soll ja nicht nur die Inbetriebnahme Zwentendorfs, sondern die Aufhebung des Atomsperrgesetzes. Gemeint ist nicht der kleine Finger, sondern die ganze Hand.

Demgegenüber nimmt sich das von Frau Dr. Schmitz beantragte Volksbegehren bescheiden aus: Hier wird der Umbau eines vor der Fertigstellung stehenden Kernkraftwerkes in ein konventionelles Wärmekraftwerk angestrebt. Als etwas anderes als eine Reaktion auf das Pro-Kernenergie-Volksbegehren und eine Wiederbelebung einer vom früheren ÖVP-Chef etwas hastig aufgegriffenen Idee kann dieses Volksbegehren wohl kaum gesehen werden.

Dieses Anti-Volksbegehren-Volksbegehren wird also nur dadurch erklärlich, daß ein Volksbegehren zur Sicherstellung der Einhaltung eines bestehenden Gesetzes - so ist zumindest zu hoffen - grotesk schiene. Eben darum hätte es aber genügen können, dem Begehren zur Aufhebung des bestehenden Atomsperrgesetzes die Unterstützung zu verweigern. Ein Umbau Zwentendorfs ist keine geeignete Alternative zu einer langfristigen Nuklearstrategie.

Die Argumente pro und kontra Kernenergie werden praktisch unverändert vorgebracht werden, es hat sich auch wenig verändert: „Tausche Kilowattstunde gegen Millirem." - Es scheint sich aber niemand mehr so recht begeistern zu können.

Vielleicht macht sich die Erkenntnis breit, daß in der Kernenergiedebatte die Kenntnis naturwissenschaftlicher Gesetze ebensowenig zu Ubereinstimmung führt, wie in der Gesellschaft die Kenntnis von Gesetzesparagraphen zur Menschlichkeit. - Der Glaube, durch Argumente die eigene Einstellung zur Kernenergie propagieren zu können, ist in beiden Lagern geschwunden.

Eines ist jedenfalls sicher: Unsere Einstellung zu den technischen Großtaten unseres Landes wie Großglockner-Hochalpenstraße, Westbahn oder Kraftwerk Kaprun war bisher doch immer von gewissem Stolz geprägt; wir freuten uns über die technischen Leistungen unserer Ingenieure. Mit Zwentendorf wird aber wohl niemand mehr so recht seine Freude haben, sollte es nun ein Kernkraftwerk oder ein umgebautes konventionelles Kraftwerk sein. Muß uns das nicht zu denken geben?

Dr. Werner Fiala ist Oberassistent am Institut Pur Energiewirtschaft der TU Wien. Er nimmt hier als Privatperson Stellung.

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