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Zwetschgendorf

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Es gibt eine Reihe von Bur-genländerwitzen, die in Deutschland einfach als Österreicherwitze weiter erzählt werden. Einer davon hat eine Pointe etwa der Art, daß die Österreicher jetzt alle Kirsch- und Zwetschgenkerne sammeln, um damit endlich ein risikoloses Kernkraftwerk zu betreiben. Jedenfalls werde ich deshalb zu Hause des öfteren nach .Zwetschgendorf” gefragt, wenn Zwentendorf gemeint ist.

Dabei hat ja in Österreich die Entscheidung über Zwentendorf überhaupt nichts mit der eigentlichen Sache zu tun — der Nutzung der Kernenergie. Immer wieder taucht nämlich bei Ausländern dieses Mißverständnis auf.

Schon bei der ersten Volksabstimmung war es ja klar. Da mußten viele Sozialisten, die gegen Atomkraft waren, für das Atomkraftwerk stimmen, damit Bruno Kreisky nicht zurückzutreten braucht. Ihnen standen als erbitterte Gegner jene Volksparteiwähler gegenüber, die sehr für die Nutzung der Kernenergie waren. Diese mußten allerdings das Kernkraftwerk ablehnen, damit Kreisky zurücktreten muß und Zwentendorf dann vom ÖVP-Kanzler Josef Taus eröffnet werden kann.

Und heute? Obwohl es ein dringendes nationales Anliegen ist, daß Österreich in der Völker-Familie der schnellen Atomei-Brüter nicht diskriminiert ist, sondern den Anschluß an die Kernkraft seiner Nachbarn erhält, sind die Freiheitlichen dagegen. Nur weil sie sinnlos auf die Stimmen der Kernkraftgegner spekulieren, die sich aber von den Blauen kein Grün für ein Braun vormachen lassen.

Die Volkspartei wäre zwar in ihrer Mehrheit für die Atomkraft. Aber sie muß jetzt die Sozialisten durch einen atomaren Atomschlag mit Kurzschluß dafür bestrafen, daß diese eine falsche Koalitionsehe eingegangen sind.

Die Sozialisten sind auch in ihrer Mehrheit für die Nutzung der Kernkraft. Aber sie sind in ihrem harten Kern froh, wenn sie nach dem Hainburg-Debakel nicht auch noch die Atomfrage durch eine Volksabstimmung beantworten lassen müssen. Weil sie jetzt keine öffentliche Atomdebatte brauchen können, beantragen sie eine. Sie verlangen eine Volksabstimmung, in der festen Hoffnung, daß die ÖVP diese schuldhaft ablehnen wird. Die Volkspartei wird mit dem A bwracken des von ihr erwünschten Kernkraftwerkes und mit dem Verlust ihrer wertvollsten Mitgift für eine große Koalition bestraft.

Es ist im Grunde so einfach — aber diese Ausländer! Verwechseln immer wieder Zwenten- mit Zwetschgendorf.

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