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Zwettls immergrüne Eiche

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Gerade in der kältesten Gegend des Nordwaldes Österreichs gründeten die mächtigen Ministerialen der Babenberger, genannt die Kuenringer, die Cister- cienserabtei Zwettl. Wie tief verwurzelt die herbeigerufenen Rodungsmönche auf dem Granitplateau des Waldviertels geworden sind, sagt heute noch die Darstellung der Rieseneiche am barok- ken Hochaltar der Abteikirche.

Die Cistercienser schufen sich nämlich hier in ihrer Art ähnlich den keltischen Urbewohnern einen heiligen Hain in der großen Schleife des Kamp, abgeschirmt vom Lärm der Burgsiedlung Hadmars I. Kuenring zu Zwettl, der späteren Hauptstadt des Waldviertels.

Als dieser für die Gründung mit dem ersten Abt Hermann auf die Suche nach einem entsprechenden Siedlungsplatz ging, hatten beide in der Nacht vorher vom 31. Dezember auf den 1. Jänner, von 1137 auf 1138, schon von der Mutter Gottes im Traume die Weisung erhalten, daß sie dafür abwärts des Kampflusses eine grünende Eiche finden werden. Sie sollen dann auch am Neujahrstag mitten unter kahlen, mit Schnee bedeckten Bäumen eine grünende Eiche mit Früchten beladen aufgefunden haben. Deren obere Äste hätten die Form eines Kreuzes gebildet.

So erzählt die Legende vom Ursprung des Klosters Claravallis, des Lichttales oder Clairvaux im Waldviertel, zu einer Zeit, in der der hl. Bernhard sein ursprüngliches Clairvaux bereits viel größer neu aufbauen lassen mußte.

Zugleich führte aus der drückenden Schwere des romanischen Stiles ein Zeitalter der Renaissance zu der emporstrebenden lichten Gotik. Ein Experte sagt zu dieser „Geburt der neuen Zeit: Die Cistercienser brachten Österreich den Anschluß an die Kunst Europas“ (Feuchtmüller). Er bringt dafür als auslösende Ursache den Studienaufenthalt des jungen Markgrafensohnes Otto, des berühmten Geschichtsphilosophen und Bischofs von Freising, mit seinen 15 Kommilitonen, der zum Eintritt in Morimond führte, dem Ausfalltor des neuen Ordens benediktinischer Prägung in den Osten Europas.

Deren Repatriierung vollzog sich dann durch ihre Berufung in heimatliche Spitzenstellung. Dadurch gelangte die Frühgotik von Burgund aus den Ursprungsklöstern des Ordens im Quellgebiete der Seine und Saönq rasch und zukunftsweisend in das österreichische Donauland zunächst nach Zwettl, dann nach Lilienfeld und schließlich nach Heiligenkreuz; selbstverständlich auch in das landesfürstliche Strahlungszentrum Klosterneuburg.

Beim Donauhafen hinter den schützenden Ausläufern des Wienerwaldes erfolgte 1132 in der Babenberger Pfalz eine für die Besiedlung des östlichen und nördlichen Österreichs bis heute nachwirkende Ratsversammlung. Sie führte zur Berufung der Augustiner- Chorherren nach Klosterneuburg und im Herzen des Wienerwaldes zur Niederlassung der cisterciensischen Mitbrüder Ottos, des Sohnes des Gründers Leopold, von Morimond her in Heiligenkreuz.

Es bedeutet keinen Zufall, daß auch der vom Markgrafen eingesetzte erste Forstmeister des Wienerwaldes, Ritter Udalrich von Gaaden, mit den Kuenringer Brüdern Hadmar und Adalbero dabei zu Rate gezogen wurde. Hadmar bewarb sich ebenfalls um Mitbrüder des hoffnungsreichen Babenbergers und Kaiserenkels für seinen Nordwald. Er sollte sie bald nach Zwettl verpflanzen können, da die Wienerwald-Ci- sterze rasch eine Überzahl an Religiösen aufwies.

Der Bruder Ottos aus der ersten Ehe seiner Mutter Agnes, König Konrad IIL, erklärte in seiner allerersten Bestätigung für ein Cistercienserkloster dieses Claravallis am Kamp als ein Weihegeschenk des Reiches. Vordem Auszug in den 2. Kreuzzug wird „Otto Frisin- gensis episcopus“ als Zeuge für die Übergabe eines Waldanteiles am Kamp von Seiten dieses ersten Hohen- staufer Herrschers des römisch-deutschen Reiches angeführt.

Nach Fertigstellung der ersten Klosterkirche holte man Ottos jüngsten Bruder, Bischof Konrad von Passau, zu deren Einweihung nach Zwettl am 18. September 1159. Nachher kam es zu einem Neubau des Kreuzganges, wofür sich Hadmar II. den Titel eines zweiten Gründers verdiente.

Als die Akademikergruppe um Otto im Westen Europas ihre frühscholastische Bildung erhielt, vollzog sich in der Baukunst ein Stilwandel durch steigende Verwendung der Kreuzgewölbe- Rippen. Die dafür notwendigen Wandstützen entwickelten sich in den Cister- cienserklöstern Burgunds in sehr vorbildlicher Art.

Als Schulbeispiel dafür bietet sich das vom hl. Bernhard gegründete Fon- tenay in einem wasserreichen Tale burgundischer Waldlandschaft dar, dessen

Kirche 1147 von dem aus dem Konvente von Clairvaux hervorgegangenen Papst Eugen III. konsekriert wurde.

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zieht in dem bereits kreuzgewölbten Kreuzgange mit den noch erhaltenen Regularräumen bis hinaus in die Klosterschmiede besondere Aufmerksamkeit die Abkragung der Säulen auf sich. An den Konsolen bemerkt man eine Blatt- und Blütenornamentik im Sinne des Symbolismus des hl. Bernhard. An besonders hervorgehobenen Stellen fällt eine polsterartige Ausladung der Rippen von den Gewölben und sonstigen Bögen auf die Kämpfer der Säulen. Diese wulstartigen, meist zungenförmigen Ausladungen bezeichnet man am besten mit dem Fachausdruck Polsterung.

In Zwettl zeigt sich eine derartige Polsterung bereits ober der rechtsseitigen Fensterarkaden-Säule in den Kapitelsaal. Man kann sie weiters in halbkreisförmiger Art wie auf den romanischen Würfelkapitellen, aber umgekehrt über den Kämpferplatten an allen bedeutenden Stellen der vier Galerien dieses ältesten Kreuzganges im Übergangsstile feststellen.

Die schon vor 1217 nach Zwettl übertragene cisterciensisch-burgundische Frühgotik macht sich nachher deutlich in der ehemaligen Dominikanerkirche zu Krems bemerkbar. In dieser Donaustadt, am Hauptverbindungsweg nach Zwettl, ermöglichte Hadmar II. den Cisterciensern die Errichtung einer ergiebigen Weingrangie, d. i. ein Wirtschaftshof mit vielen Weingärten. Man wird es auch nicht als Zufall betrachten, an der frühgotischen Westempore des St. Stephansdomes zu Wien die gleiche Polsterung feststellen zu können wie in Zwettl. Das steht im Zusammenhang damit, daß Abt Heinrich (1227 - 1233) dem Hüttenmeister Johannes das Haus seines Klosters am Stephansplatz überläßt. Zeuge dessen sind von seiner Equipe drei Steinmetze oder Maurer.

Die Cistercienser suchten sich nicht die schönsten Plätze für ihre Siedlungen aus, sondern sie mußten sich diese erst im Schweiße ihres Angesichts schaffen. Die Kuenringerausstellung des heurigen Jahres ermöglicht zugleich auch eine eingehendere Kenntnis, wie die Verbreitung der Gotik durch die Cistercienser vor sich ging.

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