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Digital In Arbeit

ZWISCHEN ABLEHNUNG UND RESPEKT

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Die elektronische Informationsverarbeitung gibt es weltweit schon mehr als vierzig Jahre (siehe Seite 11). Seit etwa dreißig Jahren hat diese Technologie einen umfassenden Einzug in die Büros und Fertigungshallen gefunden. Trotz dieser relativ langen Zeit ist es bis heute noch nicht zu deren vollständiger Integration in den Büroalltag gekommen.

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Die elektronische Informationsverarbeitung gibt es weltweit schon mehr als vierzig Jahre (siehe Seite 11). Seit etwa dreißig Jahren hat diese Technologie einen umfassenden Einzug in die Büros und Fertigungshallen gefunden. Trotz dieser relativ langen Zeit ist es bis heute noch nicht zu deren vollständiger Integration in den Büroalltag gekommen.

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Noch immer ist für viele Anwender die Handhabung eines Computers ein Ritual, welches sich zwischen Abwehr und Hochachtung bewegt. Es gibt nach wie vor eine bedeutsame Zahl von Personen, die dieser Technologie abweisend und kritisch gegenüberstehen. Viele davon befinden sich im gehobenen und obersten Management. Mit den Argumenten, daß die Benutzung eines Computers ausschließlich ausführende Arbeit sei und daß man sowieso nicht jene Information bekäme, die man brauche, werden diese Berührungsängste maskiert. Dabei geht man am Kern der Problematik vorbei: Die noch immer geringe Benutzerorientiertheit der Hard-und Software.

Eine völlig andere Entwicklung hat zum Beispiel das Auto genommen. Es wird heute kaum einen Menschen geben, der Autofahren als einen „niedrigen Dienst" bezeichnet, obwohl selbstverständlich viele „Chefs" mit Chauffeuren unterwegs sind. Es hätte jedoch kaum eine Autofirma die Chance, ein Fahrzeug zu verkaufen, bei welchem die Pedale für Bremse und Gas vertauscht sind.

Im Bereich der EDV hat man aber meistens eine andere Einstellung. Da für viele die EDV nach wie vor etwas „Geheimnisvolles" ist, hat man relativ viele Mitarbeiter, die auf diesem Gebiet spezialisiert sind, es jedoch selten schaffen, ihr Wissen mit den Benutzem zu teilen. Viel eher sind sie daran interessiert, dieses „Herrschaftswissen" zu konservieren. Alle „Ungereimtheiten", die dem Vertauschen der Pedale bei Autos ähnlich sind, werden daher als „gottgewollt" und „schicksalsbedingt" hingenommen.

In früheren Zeiten war es selbstverständlich, den Benutzer dazu zu zwingen, für ihn unlogische und schwer erlernbare Bedienungsschritte durchzuführen, um zum angestrebten Ziel zu gelangen.

Der Ruf nach „offenen Systemen", das heißt standardisierten Geräten, ist noch immer nicht stark genug. Erst die Verbreitung des Personal Computer hat langsam ein Umdenken in Bewegung gesetzt.

Trotzdem sieht sich der Benutzer aber nach wie vor in einer EDV-Welt, die er selten versteht. Grundsätzlich geht er von der Annahme aus, daß er nicht die Fähigkeit besitzt, Informationswünsche zu artikulieren, da er keine EDV-Kenntnisse hat. Schuld daran sind oft EDV-Schulungsveranstaltungen, die heute noch in der „Weisheit" kulminieren, daß eins und eins nicht zwei, sondern eins-null ist, weil man sich im Reiche des binären Rechnens befindet; oder Kurse in denen man Schaltwerke zeichnet und den Benutzem den Eindruck gibt, ohne absolut intime Kenntnisse der Technik und der Mathematik könne man nicht ein erfolgreicher „User" sein.

Ist nun ein Benutzer mit Programmen konfrontiert, so erlebt er verwirrende Situationen, in denen weder die sogenannten Help-Funktionen noch die Handbücher eine wirkliche Hilfe darstellen, da leider beide zu wenig benutzerorientiert sind (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Besonders der „non-frequent-user" (gelegentlicher Benutzer, Anm. d. Red.) hat größte Probleme, stets das gewünschte Resultat zu bekommen, wenn er nur einmal monatlich ein spezielles Programm nutzt.

Gleichzeitig wird meistens vergessen, daß das Hauptproblem des Zuganges nicht der Computer an sich ist, sondern die für viele völlig unbekannte Tastatur. In einem Schulsystem, welches vor vielen Jahren die Schreibmaschine nicht gekannt hat, ist es nicht verwunderlich, daß die einfache Schreibmaschinentastatur an sich schon verwirrend genug ist und daß sie in Verbindung mit dem „gefürchteten" Computer zum absoluten Problem wird.

Auch die Medien tragen ihr Scherflein dazu bei. Noch immer werden Begriffe wie „Blechtrottel" und „Elektronengehirn" verwendet und in vielen Publikationen wird den Menschen der Eindruck vermittelt, es handelt sich hier um ein bösartiges „menschenähnliches" Monstrum, welches alles dran setzt, den Menschen in Bedrängnis zu bringen. Schlagzeilen wie „Blechtrottel ließ Gehälter schmelzen" sind nicht dazu geeignet, diese Ängste abzubauen. Sehr häufig mischt sich in diese Aversion auch der völlig irrige Gedanke des Ausgeliefertseins an die Technik, womit weitere Ängste begründet werden. EDV-Lieferfirmen werden von diesen Problemen insofern betroffen, als ihre Erfolge weltweit deutlich rückläufig sind. Die richtigen Konsequenzen werden aber noch kaum gezogen.

EDV beziehungsweise Informationssysteme sind ein Instrument, aber keine Problemlösung und haben einen Verstärkereffekt sowohl in die positive als auch in die negative Richtung. Schlechtere Unternehmen werden noch schlechter, bessere werden noch besser. Informationstechnik ist nur in Verbindung mit gut ausgebildetem und gut entwickeltem Personal in der Lage, eine Hilfe im Wettbewerb darzustellen.

Ein wichtiges Wettbewerbsfeld der Zukunft wird die Geschwindigkeit sein. Das bedeutet: Es muß schneller produziert werden, es muß schneller geplant werden, es muß schneller entschieden werden. Besondere Leistungen in punkto Geschwindigkeit sind jedoch nur möglich, wenn es langfristig gelingt, die Unternehmen intern komplett zu vernetzen und das Unternehmen auch extern mit Lieferanten, Kunden, Banken, Speditionen, Ämtern und so weiter zu verbinden. Nur wenn sämtliche Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation ausgenutzt werden, können entsprechende Wettbewerbsvorteile lukriert werden.

Dazu wird es aber notwendig sein, daß noch weitere Schritte zur Vereinfachung des Benutzerzuganges getan werden. Jener EDV Software- und Hardware-Anbieter, dem es als ersten gelingt, die absolute Benutzerorientierung nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern auch als Produktreihe auf den Markt zu bringen, wird sicherlich große wirtschaftliche Erfolge erzielen.

Der Autor ist wissenschaftlicher Direktor der Akademie für Führungskräfte, Graz.

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