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Zwischen Boykott und Untergrund

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In Innsbruck fand eine Missionsstudientagung zum Thema Hoffnung statt. Gibt es Hoffnung auch für Chinas Christen? Dazu ein stark gekürzter Beitrag aus einem der Referate.

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In Innsbruck fand eine Missionsstudientagung zum Thema Hoffnung statt. Gibt es Hoffnung auch für Chinas Christen? Dazu ein stark gekürzter Beitrag aus einem der Referate.

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Die große Freude, die Berichte über das heutige katholische Leben in China ausgelöst haben, wird getrübt durch die Tatsache, daß die katholischen Christen in China gespalten sind. Da sind auf der einen Seite die Katholiken, die der 1958 gegründeten chinesischen katholischen patriotischen Vereinigung angehören oder mit ihr zusammenarbeiten, und auf der anderen Seite die Katholiken, die jeden Kontakt mit dieser Gruppe ablehnen, selber über keine Organisation verfügen und gewöhnlich „romtreue Katholiken” genannt werden.

Es ist zunächst festzuhalten, daß auch die Angehörigen der patriotischen Vereinigung während der Kulturrevolution verfolgt wurden wie andere Christen auch. Nach der Wiederherstellung der Religionsfreiheit würden die von der Regierung neu eröffneten und renovierten Kirchen allen Priestern anvertraut, die zu dieser Vereinigung gehören. Für alle offiziellen Kontakte der Regierung zur katholischen Kirche und für ausländische Besucher sind die Mitglieder der patriotischen Vereinigung die Partner.

Die Aufgabe der patriotischen Vereinigung soll darin bestehen, die Verbindung der Kirche zur Partei und zur Regierung aufrechtzuerhalten, während das 1980 geschaffene „Komitee für kirchliche Angelegenheiten” sich zusammen mit der chinesischen Bischofskonferenz um das religiöse Leben kümmert.

Genaue und zutreffende Aussagen über die „romtruen” Katholiken zu machen ist nicht leicht. Aus Berichten von Besuchern der Volksrepublik wird deutlich, daß es oft erhebliche Spannungen zwischen „patriotischen” und „romtreuen” Christen gibt, aber auch, daß die Ubergänge fließend sind, daß es Katholiken gibt, die zwar ihre Vorbehalte gegenüber der patriotischen Vereinigung haben, an den Gottesdiensten in den geöffneten Kirchen'aber teilnehmen, weil dies ihre einzige Möglichkeit ist, die Sakramente zu empfangen.

In der Beurteilung der Situation wird man nie vergessen dürfen, daß China lange von Informationen aus dem Ausland abgeschnitten war, daß die Entwicklungen in Kirche und Theologie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in China fast nicht bekannt geworden sind. Manche starre Haltung gegenüber einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit mit der kommunistischen Regierung auf dem politischen Sektor und viele theologische Positionen über Papst, Bischofsweihen usw. ließen sich viel leichter vermitteln, wenn es zu einer echten Begegnung kommen könnte.

Die protestantischen Kirchen stellten bei der Gründung der Volksrepublik China 1949 mit 700.000 Mitgliedern, die kleinere Gruppe der Christen dar. Die Zeit der Kulturrevolution mit der intensiven Verfolgung haben die verschiedenen protestantischen Gruppierungen erstaunlich gut überlebt.

Auch in den protestantischen Kirchen hat es eine ähnliche Auseinandersetzung wie bei den Katholiken gegeben, inwieweit eine Zusammenarbeit mit der kommunistischen Regierung möglich sei. 1951 bildete sich die Drei-Selbst-Bewegung, die unter dem Motto der „Selbst-Verwaltung, des Selbst-Unterhalts und der Selbst-Verbreitung” als eine chinesische unabhängige Kirche am Aufbau des neuen China mitarbeiten wollte.

Von seiten der mehr evangeli-kal ausgerichteten Christen gab es andauernden Widerstand, der aber nicht die Schärfe und den Umfang annahm wie in der katholischen Kirche. Die Verfolgung während der Kulturrevolution traf alle Christen ohne Unterschied der Zugehörigkeit oder der Ablehnung der Drei-Selbst-Bewegung. Nach der Wiedereröffnung einer Reihe von Kirchen haben sie sich in die die neue Kir-chensturktur integriert.

Auf einer Nationalen Christlichen Konferenz in Nanking im Jahr 1980 hat die Drei-Selbst-Bewegung eine Neuordnung der kirchlichen Strukturen geschaffen.

Auf der Konferenz von Montreal im Oktober 1981, einer internationalen ökumenischen Konferenz, hat sich zum ersten Mal eine gemeinsame — aus protestantischen und katholischen Christen bestehende — chinesische Delegation im Ausland über die Lage des Christentums in China äußern können. ' In den Aussagen der chinesischen Christen wurde deutlich, daß sie die Volksrepublik China, das aus der Befreiung 1949 hervorgegangene „Neue China”, trotz der Erfahrungen der Kulturrevolution als ihre Heimat ansehen, an deren weiteren Auf-und Ausbau sie als Christen positiv mitwirken wollen.

Der Blick auf die Situation der christlichen Kirchen in China macht bei aller Begrenztheit und Lückenhaftigkeit der vorliegenden Informationen deutlich, von wie großer Bedeutung für die gesamte Christenheit die chinesische Erfahrung ist. Das Beispiel dieser Christen wirft ein neues Licht auf die Diskussion über die Mission und Evangelisierung.

In dem wieder aufgenommenen Kontakt mit der chinesischen Christenheit wird auch deutlich, wie wichtig Austausch und gegenseitige Begegnung für das Leben der Christen, für Kirche und Theologie im Rahmen der Weltchristenheit sind. Die chinesischen Christen sind sich bewußt, von diesem weltweiten Austausch lernen zu können, wissen aber auch um den Wert ihrer Erfahrungen für die Christen in aller Welt.

Wenn man sich die Alternativen zwischen Boykott der „patriotischen Kirche” und „romtreuer” Untergrundkirche anschaut, sollte es eigentlich auf der Hand liegen, welche einzig und allein in Frage kommen kann. Es ist dies auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der versöhnungsstiften-den Botschaft des Evangeliums.

Oer Autor ist Südostasien-Referent am Missionswissenschaftlichen Institut in Aachen, und hat mehrere Studienreisen in die Volksrepublik China unternommen.

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