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Zwischen ethnischen und nationalen Problemen

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Das erste rumänisch-österreichische Historiker-Symposion - letzte Woche in Wien - wird sicher nicht das letzte sein. Das nächste ist in Rumänien bereits für das nächste Jahr geplant. Auch eine Ausweitung der Zusammenarbeit der Universitäten Österreichs und Rumäniens gilt als sicher, sind doch sowohl die Regierungen als auch die betroffenen Wissenschafter an intensiveren Beziehungen interessiert. Bisher gibt es zwar Gastprofessoren im linguistischen und literarischen Bereich, nicht jedoch in den geschichtlichen Abteilungen.

Dies gilt für Österreich ebenso wie für Rumänien: in beiden Ländern wird der Geschichtsunterricht neu überdacht, und seit dem Sommer hat Rumänien - entgegen verschiedenen Gerüchten vom Frühjahr - den Geschichtsunterricht an den Schulen stark erweitert; nicht zuletzt zur Untermauerung des rumänischen Nationalgefühls sowie zur Betonung des lateinisch-römischen Elementes als Bestandteil des außenpolitischen Kurses.

Auf diesem Hintergrund sind die zehn Vorträge zu sehen, die im Palais Pälffy gehalten wurden. Prof. Du-mitru Berciu aus Bukarest leitete ein mit einem Referat zu den Ergebnissen jüngster archäologischer Forschungen - ein Beitrag zur Ethnogenese des rumänischen Volkes. Im Vordergrund das erklärte Ziel: „Die beste wissenschaftliche Antwort an jene, die das Alter, die Kontinuität und die Einheit des rumänischen Volkes abstreiten.“ Dies beginnt beim thrakischen und getischen Substrat der Bronzezeit, wobei man sich dagegen verwehrt, daß der Karpatenbogen - wie oft behauptet -als Grenze fungiert habe; wie ja überhaupt die „Durchlässigkeit“ der Karpaten als Rückgrat des Landes von der rumänischen Historikern und Geographen immer wieder betont wird.

Herodots These von der Donau als Grenze zu den Skythen wird als unhaltbar dargestellt; auch die römische Einflußsphäre dürfte größer gewesen sein, als bisher angenommen, sowohl ihrer geographischen Ausdehnung als auch ihrer Intensität nach - dafür spricht eine „äußerst intensive Verbreitung der römischen republikani--sehen Münze und auch ihre Nachprägung, die Aneignung des lateinischen Sprache mehr als ein Jahrhundert vor dem Datum der Eroberung Daziens“, obwohl die tatsächliche Herrschaft Roms in der Provinz Dazien nur 165 Jahre (106-271) dauerte.

Auch den Einfluß des Christentums schon in sehr früher Zeit hob dieses Referat hervor: im Kreis Hermannstadt wurde ein christlicher Kronleuchter aus Bronze aus dem IV. Jahrhundert gefunden - Beweis dafür, „daß die Ortsbewohner sich in einer christlichen Gemeinschaft organisierten und eine Kultstätte hatten“. Das Christentum spielte im IV.-VI. Jahrhundert im Karpatenraum „sowohl auf linguistischer Ebene als auch auf geistiger und organisationspolitischer Ebene eine historische Rolle“.

Die übrigen Wissenschafter bemühten sich vor allem, rumänisch-österreichische Beziehungen durch die Jahrhunderte aufzuzeigen. Prof. Betz (Wien) sprach über „Rumänien und Österreich im Spiegel der römerzeitlichen Inschriften beider Länder“, Eugen Stanescu (Bukarest) über „Die Vereinigung der rumänischen Länder unter Mihail Viteazu und das Haus Österreich“, Gheorghe Piaton (Iasi) über „Die Revolution von 1848 in den rumänischen Fürstentümern im Spiegel des Archives des Generalkonsulates in Galati“. Kurt Peball (Wien) hatte als Gegenstück die österreichischen Archive nach rumänischen Spuren durchforscht.

Daß die österreichisch-rumänischen Beziehungen stärker waren, als gemeinhin angenommen, unterstrich auch Stefan Pascu (Klausenburg). So gab es in den ersten 200 Jahren nach der Gründung der Wiener Universität nicht, wie schon bisher bekannt, 25 Professoren aus Siebenbürgen, sondern 65. Die Beziehungen zu Rumänien spielten sich also zur Zeit des Humanismus nicht nur über die Studenten ab, die zahlreich nach Wien kamen, sondern auch über die Professoren.

Wesentlich auch die Rolle Österreichs zur Zeit der rumänischen Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert, wie sie von Constantin Nu$u dargelegt wurde - Österreich stellte sich zwar 1876 auch gegen die Vereinigung der Donaufürstentümer, drängte aber den Einfluß Rußlands im Südosten zurück - eine positive Beurteilung Österreichs, die aufhorchen ließ. Allerdings fehlte eine Analyse der Mitteleuropa-Konzeption Felix Fürst Schwarzenbergs, der zur Zeit des Krimkriegs einen Vielvölkerstaat nicht nur von Hamburg bis Triest entwarf, sondern auch die Donaufürstentümer in dieses Staatsgebilde einbezog.

Interessant auch der „Ausflug“ von Max Demeter Peyfuss (Wien) zu den balkanorthodoxen Einwanderern, die „an den Kulturbeziehungen entscheidenden Anteil hatten, und zwar nicht nur zum türkisch-phanariotischen Südosten, sondern auch innerhalb Österreichs“. Er explizierte seinen Versuch, die Beziehungen zwischen Rumänen, Griechen und Serben in der Donaumonarchie als einheitliches Ganzes zu interpretieren, am Studium der Subskribenten- und Pränumeranden-Listen der zwischen 1790 und 1848 in Mitteleuropa erschienenen rumänischen, serbischen und griechischen Bücher - viele. Angehörige der balkanorthodoxen Diaspora finden sich in den rumänischen Subskribentenlisten. Diese balkanorthodoxe Diaspora war „ethnisch rumänisch, national aber einfach und im besten Sinne österreichisch“.

Vor allem in solchen Detailstudien und in deren Austausch, bei dem ideologische Interpretationen zugunsten der Wissenschaft verdrängt werden, bestand der Wert dieses Symposions, für das das österreichische Ost- und Südosteuropa-Institut (Prof. Plasch-ka) verantwortlich zeichnete.

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