6978381-1986_02_10.jpg
Digital In Arbeit

Zwischen Gadhafi und Heuschnupfen

19451960198020002020

Innerhalb eines Jahres hat sich die Mini-ZiB zu einem Erfolgsprodukt gemausert. Auch wenn politische Nachrichten manchmal den Eindruck von Pausenfüllern erwecken.

19451960198020002020

Innerhalb eines Jahres hat sich die Mini-ZiB zu einem Erfolgsprodukt gemausert. Auch wenn politische Nachrichten manchmal den Eindruck von Pausenfüllern erwecken.

Werbung
Werbung
Werbung

Seit einem Jahr gibt es die „Mini-ZiB", das spezielle Kinder-Nachrichtenprogramm für Zehn-bis Zwölfjährige. Die Mini-ZiB als Kürzel für die vom ORF gesendeten Kindernachrichten ist bei groß und klein längst schon zum Begriff geworden.

Tagesereignisse in kindgemäßer Verpackung zu senden, könnte als das angestrebte Ziel der Sendungsmacher verstanden werden. Vorweggenommen, es gelingt zumeist recht gut.

Daß es aber dazu kam, ist weniger dem Bemühen der ÖRF-Pro-grammverantwortlichen als dem langen Kampf der „Hörer- und Seher"-Vertreterin im ORF In-

geborg Schödl zuzuschreiben, die sich gegen die zähen Widerstände durchsetzen konnte.

Jetzt allerdings ist der ORF stolz auf sein Produkt und speist es neuerdings als Österreichexport ins deutschsprachige Ausland sogar in das Satellitenprogramm 3SAT ein.

Was nun eine Kindernachrichtensendung bewirken kann bzw. soll, was als kindgemäße Nachricht betrachtet werden sollte, ist medienpädagogisch durch konkrete Richtlinien definierbar. Wie eine Information von Kindern aufgenommen wird, hängt wesentlich vom Aufbau der Sendung, der sprachlichen und didaktischen Vermittlung und vom Aktualitätsbezug des Informationsinhalts ab.

In der Mini-ZiB geht es primär um Informationsvermittlung über das Tagesgeschehen für die angestrebte Altersgruppe, sekundär um die Erklärung der gesendeten Informationsinhalte. Aktualität und Vermittlung sind die wichtigsten Kriterien für eine Kindernachrichtensendung. Kindernachrichten sollten ein methodischer Anstoß für eine aktive Auseinandersetzung des jungen Menschen mit dem jeweils gesendeten Beitrag sein, um selbständig die vermittelte Information zur eigenen Lebensrealität in Beziehung zu setzen. Es ist nicht bloßes Speichern von Informationen im Sinne von Senden und Empfangen anzustreben.

Wir beziehen einen Teil unserer Erfahrungen aus den Medien. Vieles lernen wir erst durch sie kennen, und vielfach ersetzt der mittelbare Kontakt den unmittelbaren Erfahrungsraum. Und, wir leben zwar dank der Medien in einer stark erweiterten Welt, aber auch in einer viel stärker vermittelten Welt.

Darin liegt die Chance für das Fernsehen, gestaltend und informativ zu wirken. Aber es besteht auch die Gefahr, durch unzulässige Vereinfachung der zu vermittelnden Information, der Möglichkeit umfassender Bildung des jungen Menschen nicht entsprechen zu können.

Unterhalten, Informieren und Bilden sollte in der Absicht geschehen, eine mögliche Antwort auf stattfindende menschliche Lebensumstände zu geben.

Im Sinne des Pluralismus soll niemand gezwungen oder veranlaßt werden, den von irgend einer Gruppe für richtig erachteten Werten, die zwangsläufig in einem Sendebeitrag mitgeliefert werden, zuzustimmen und nach deren Verbindlichkeit zu leben. Das verlangt zum einen die Toleranz demokratischer Grundhal-

tung, und das verbietet zum anderen die Anerkennung personaler Autonomie, auch wenn es sich „erst" um Zehn- bis Zwölfjährige handelt.

Die Mini-ZiB versucht, dem nach dem jeweiligen Sachverhalt zu entsprechen, was teilweise gut gelingt. Und zwar deshalb, weil man sich technischer Hilfsmittel bedient, die einen notwendigen Erklärungszusammenhang verständlicher zeigen können.

Allerdings beschränken sich die Erklärungen vielfach auf naturwissenschaftliche Gegebenheiten, zum Beispiel „Wie entsteht Föhn?", „Was ist ein Schnupfen?".

Sendungsbeiträge, die sich mit tagespolitischen Themen befas-

Magisches Rechteck

sen, erwecken jedoch manchmal den Anschein, unzulässig vereinfacht zu werden und als Pausenfüller Verwendung zu finden, nur um der Informationspflicht zu entsprechen.

Medien verändern die primäre Erfahrung, sie beeinflussen die Wahrnehmung, das Raum- und Zeitgefühl, die Träume und die Bereitschaft, auf die Realität einzugehen. Das „Schauen" als Ersatzfunktion für das unmittelbare Erlebnis tritt in den Vordergrund. Die Bilder, durch die das Fernsehen Wirklichkeit vermittelt, sind keine natürlichen, sondern künstlich gemachte. Der Unterschied zwischen Bild und Wirklichkeit droht zu verschwinden.

Der Sprache als entscheidendem Vermittlungsträger muß bei einer Kinder-Nachrichtensendung nicht zuletzt deshalb besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Begriffe müssen erklärt, Abkürzungen erörtert werden. In der Mini-ZiB bedient man sich eher eines saloppen Sprachstils, der sich jedoch, je komplizierter die Sachinformation ist, auch umso komplizierter anhört.

Es ist einerseits Tatsache, daß Kinder durch das Fernsehen in einem früher unbekannten Ausmaß mit der Denkwelt, den Kon-

flikten und Schwierigkeiten der Erwachsenen konfrontiert und infolgedessen sprachlich damit vertraut werden, also problemorientiertes Denken gefördert wird. Andererseits darf durch die „Totalsprache" im Fernsehen - zu Bewegung, Mimik und Wort treten Ton und Geräusch — die verbale Kommunikation nicht vernachlässigt werden.

Es besteht die Gefahr, durch die Bildinformation, die den Eindruck des Dabeiseins, des einleuchtenden Beweises verstärkt, die sprachliche Information zu ersetzen.

Angesichts der durchaus nicht zu verkennenden Anstrengungen der Programmgestalter, Kindernachrichten entwicklungsadäquat und kindgemäß zu gestalten, darf die mediendidaktische Aufbereitung des Wetterberichtes als keineswegs optimal betrachtet werden. Jede Art von Tieren ist für Kinder anziehend und bietet eine Attraktion auf dem Bildschirm, ist bildfüllend.

Es ist jedoch zu fragen, ob die anzusprechende Zielgruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen aufgrund ihrer geistigen Entwicklung nicht imstande ist, eine graphische Darstellung zu verstehen.

(Karikatur Stauber)

Letztlich hätten sich medienpädagogische Forderungen für eine Kinder-Nachrichtensendung prinzipiell nicht dadurch zu definieren, daß sie dem Druck der Beliebtheit unterliegen. Es sollte nicht nur das gesendet werden, was Kinder gerne sehen und ihren Wünschen und Interessen entsprechen könnte.

Der tägliche Versuch, gesellschaftliche, politische und ökonomische Ereignisse den jungen Zu-sehern verständlich zu machen, sollte auch unter dem Anspruch der Möglichkeit umfassender Bildung geschehen. Die Mini-ZiB hat die Möglichkeit und die Aufgabe, dies zu leisten.

Allerdings: Damit diese Herausforderung gelingt, müßte der Sendetermin von 16 Uhr 55 um eine Stunde später angesetzt werden. Zur Zeit befindet sich die Mini-ZiB zwischen Vorschul- und Volksschulprogramm, deren Zu-seher nicht Zielgruppe der Mini-ZiB sein können.

Im 3SAT-Programm wurde da schon ein passenderer Programmplatz gefunden, nämlich um 18 Uhr.

Die Autorin untersuchte die Mini-ZiB am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung