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Zwischen Hierarchie und Staat

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Die größte exilpolnische Tageszeitung, „Dzienik Polski“ in London, alarmierte unlängst ihre Leserschaft damit, daß sich unter den polnischen Geistlichen in den Vereinigten Staaten eine mit dem Regime und Warschau sympathisierende Gruppe bemerkbar machte. In der Tat scheint es so, daß nicht nur unter den rund 1700 polnischen Weitgeist-lichen und Ordensleuten in den Vereinigten Staaten solche Tendenzen vorhanden sind, sondern auch anderswo.

In Polen gibt es eine Handvoll „Caritas“-Priester und Militärgeistlicher. Da sie von der Bevölkerung ignoriert werden, bereiten sie dem Episkopat weiter keinen Kummer.

Anders dagegen die polnischen Geistlichen im Ausland, die mit Warschau flirten oder umflirtet werden. Vorbei sind dort die Zeiten, da jeder polnische Geistliche, der seine Heimat besuchte, auf irgendwelche Weise von den Staatsorganen belästigt wurde. Im staatlichen Kirchenamt hat man nämlich erkannt, daß es keinen Sinn hat, beim Aus-landspolentum dieselben kirchenpolitischen Maßstäbe anzulegen wie m Polen selbst. Man hat zudem die traditionelle Rolle des polnischen Klerus erkannt, die Liebe und Verbundenheit zur Heimat unter den vielen Auslandspolen zu wahren. Der polnische Klerus spielt in den polnischen Verbänden und Schulen im Westen eine zentrale Rolle. Nicht selten steht einer auslandspolnischen Organisation ein Geistlicher vor. Das ist in einem anderen kommunistischen Bereich undenkbar. Man kann diesen Klerus in zwei Kategorien teilen: die erste Gruppe ist bereits in der Wahlheimat, wo es ja teilweise polnische Priester- und Ordensseminare gibt, geboren und ausgebildet worden oder hat sich nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs dort niedergelassen. Viele von ihnen möchten nach Polen fahren und können es auch. Unerwünscht sind allerdings jene, die sich gegen die Regierung in Warschau und deren Verbände im Ausland engagieren. Sie bekommen in der Regel keine Einreisegenehmigung, es. sei denn, sie zählen zur Kirchenhierarchie.

Bei den Seelsorgern und Missionaren, die von Polen aus in die Ballungszentren des Aus 1 andspolentums geschickt werden, hat bei drei von fünf Fällen das staatliche Kirchenamt das Vorschlagsrecht, bei zweien der polnische Episkopat. Insofern hat der Staat hier eine Kontrollfunktion eingebaut, zumal alle diese Geistlichen weiterhin Staatsbürger der Volksrepublik Polen bleiben und von diplomatischen Vertretungen Polens erfaßt sind. Der Staat erwartet von seinen Bürgern im Ausland ein gewisses Wohlverhal'ten. Daran halten sich in der Regel auch jene polnischen Geistlichen, die zwar einen fremden Paß besitzen, aber ihre Heimat besuchen wollen.

Außerdem muß sich ja der polnische Geistliche im Exil an seinen Gläubigen orientieren. Das Heimweh ist gerade beim Auslandspolentum stärker als bei irgendwelchen anderen Minoritäten. Die neue Politik Warschaus gegenüber dem Auslandspolentum hat Bedenken gegen die Regierung abgebaut. Es gibt nur noch wenige Polenverbände, die ihren Mitgliedern keine Reisen in ihre Heimat offerieren.

Dieses Heimweh räumte bei manchem strammen polnischen Katholiken auch Bedenken aus, etwa einem regierungsfreundlichen Polenverband im Ausland beizutreten. Es geht sogar so weit, daß heute exponierte christliche Exilpolitiker bei Erreichung des Rentenalters nach Polen heimkehren. Dort werden die „Unbeugsamen“ einst mit offenen Armen empfangen und lassen sich gar ihre Pensionen aus dem Westen überweisen. So ist es verständlich, daß polnische Geistliche^ auch bei regierungsfreundlichen Organisationen im Ausland in Erscheinung treten, mehr oder minder aktiv. Die einen tun das mit einem Blick gen Warschau, die anderen, um den notwendigen menschlichen Kontakt zu ihren Gläubigen nicht zu verlieren.

Der polnische Episkopat ist sich der Lage der Exilpolen bewußt und trägt ihr Rechnung. Zudem ist ihm die Solidarität der zwölf polnischen Bischöfe im Westen, des gesamten höheren Klerus und aller katholischer Einrichtungen des Auslands-polentuims gewiß. Das Ansehen des Primas von Polen ist so groß, daß dem wiederum jeder Geistliche im Exil Rechnung trägt. Würde er sich darüber hinwegsetzen, wäre er bald vom Fenster weg. Auch die Organe der regierungsfreundlichen Polenverbände im Westen berücksichtigen die Gläubigkeit ihrer Mitglieder, bringen kirchliche Nachrichten aus der Heimat und meiden jegliche Auseinandersetzung mit der Kirchenführung in der Wahlheimat, vor allen Dingen aber mit dem polnischen Episkopat.

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