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Zwischen Japan und China

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Auf der jüngsten Sitzung der UN-Voüversaimnüung gab es ein Mehrheitsvotum für die Aufnahme der Volksrepublik China — zum erstenmal, sedt das konunundstische Regime das chinesisdie Festland unter seine Macht gebracht hat. Das ist ein bedeutsames Omen, und seine Bedeutung erhält nodi mehr Ge^w^cht durdi die Tatsache, daß zur gleichen Zedt im Kongreß in Washington eine protektionistische Handelsgesetzes-vorlage eingebracht wurde, die im Fall ihrer Inkraftsetzung ernste Folgen für den Welthandel und insbesondere für die wirtschaftliche Zukunft der Länder am östlichen Rande Asiens hätte. Für Japan vor allem, aber auch für Südkorea und Singapur und, über Japan, auch für Australien.

Die Chancen für Chinas Beitritt zu den Vereinten Nationen Sind obskur.

Eine Zweidrittelmehrheit und nacht die jetzige knappe Stonnmenmehrheit ist erfcxrderlich, um die Aufnahme zu erwirken, und wir wissen nicht, wie China reagieren wird, werm schließlich eine wirksame Mehrheit zu seinen Gunsten zustandekommt. Mao Tse-tungs Regime könnte es zur Bedingung machen, daß ihm der derzeit von Taiwan eingenommene ständige Sitz im Weltsicherheitsrat zugesprochen wird, der China gemäß der Xm-Chäl;ta gebührt, und diese Bedingung würde vö*mutlich akzeptiert. Denn daß die nationalchinesische Regierung diesen permanenten Sitz innehat, ist eine Absurdität, die an Skandal grenzt. Japans wirtschaftliche Zukunft ist mit der amerikanischen wie mit der chinesischen Politik verknüpft. Wer seit Beginn der gegenwärtigen japanischen Hochkonjunktur Japan be-

sucht oder mit Japanern im Ausland gesprochen hat, dem kann kaum entgangen sein, wie sehr sich die Japaner bewußt sind, daß dieser sensationelle Boom gefährdet ist. Seit dem Koreakrieg haben sich Japans Wirtschaftsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten so günstig entwickelt, daß man kaum mit einem Anhalten dieser Glücäcssträhne rechnen kann. Amerika hat der japanischen Industrie einen lukrativen Markt geboten, gleichzeitig Japan den größten Teil der Verteidiguingslast abgenommen. Sollte es in den Vereinigten Staaten eine drastische Wendung zum Protektionismus geben, sähe sich Japan in eine Wirtschaftskrise gestürzt, die auch Jajyans derzeitige nichtamerikandsche Handelspartner treffen würde, beispielsweise Australien.

Die Japaner waren klug und weitsichtig genug, über die Flitterwochenzeit ihrer Wirtschaftsbeziehungen zu Amerika hinauszublik-ken. Und das bedeutet für Japan, den BUci auf China zu richten. Seit den fünfziger Jahren des vorigen Jalu’hunderts, als Kommcxlore Perry Japan zwang, seine Tore für den Verkehr mit westlichen Völkern zu öffnen, stehen die Vereinigten Staaten drohender als irger>deine andere fremde Macht am japanischen Horizont. Aber an den Zeiträumen ost-aaiatisdier Geschichte gemessen, ist der Aufstieg der USA ein sehr junges Phänomen, selbst nach der japanischen Mttafel, und die kulturgeschichtliche Entwicklung setzte in Japan vielleicht 2000 Jahre später ein als in China.

Alle Elemente der japanischen Kultur sind chineslBcheh Ursprungs. Selbst der in Indien wurzelnde Buddhismus 1st über China und in chinesischer Gewandung nach Japan gelangt. Die isolationistische Herrschaft der Tokxjgawa, die 1868 zu Ende ging, hat in Japan der Steatsethik des chinesischen Kon-fuziandsmus zum Durchbruch verhol-fen, denn die Totougawa-Shogune sind zu dem Schluß gekammen, (Mes sei die nützlichste Ideologie für eine autoritäre Regierung, um ihre Untertanen nach ihrem Wunsch m formen.

Nach der Medjd-Revohitian änderte Japan seine Haltung gegenüber China. Nach dem Vorbild Großbritanniens und der anderen Westmächte behandelte es die Chinesen als ,Jängeborene’’ und nicht mehr als Vertreter einer überlegenen Kultur. Doch diese Einstellung gegenüber China wurde für Jai>an unhaltbar, als 1945 sein Versuch, China zu erobern, mit einer Katastrophe endete. Im letzten Viertel Jahrhundert ist China für Japan wieder die massive und imponierende Realität gewesen, die es so viele Jahrhunderte hindurch bis 1868 war. Amerika mag kommen und gehen. Nach ostasiatischen Zeitbegriffen existiert Amerika erst seit gestern. Im Gegensatz dazu sind drei Jahrtausende chinesischer Geschichte eine Garantie, daß China eine der großen unvergänglichen Realitäten auf der Weltkarte darstellt. Auf lange Sicht gesehen ist China, nicht Amerika, die Großmacht, mit der sich Japan arrangieren muß — wenn es kann.

Dies ist für das heutige Japan das noch nicht entschlüsselte Rätsel. Wird China Japans künftiger Haupthandelspartner? Oder wird China erstmals in Japans Geschichte zu einer militärischen Gefahr für Japan? In der langen Geschichte chinesisch-japanischer Begehungen sind diese in erster Linde weder mdütärischer noch wirtschaftlicher, sondern vielmehr kultureller Art gewesen. Im nächsten Kapitel der Geschichte werden die Beziehungen zwischen den beiden Ländern vermutlich hauptsädilidi wirtschaftlicher oder militärischer Art sein, und noch ist es unmöglich, vorherzusehen, welche der beiden Alternativen es sein wird. Ein Arthaltspunkt ist die derzeitige Annäherung zwischen Sowjetunion und Bundesrepublik. Bewegen sich die chinesischen Überlegungen in ähnlicher Richtung? Wenn der Pro-teküoRisomis in den Vereinigten Staaten den Sieg davonträgt, könnte es schon bald zu einer Annäherung zwischen Japan und China kommen. Auf lange Sicht scheint sie unvermeidlich.

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