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Digital In Arbeit

Zwischen Pradl und Hörsaal

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Kaum ein Tag, an dem der Rundfunk nicht Schlagzeilen macht. Heute ORF-Kommission, morgen Verhandlungen mit Josef Ferenczy; heute eine Gewerkschaftsresolution, morgen eine Bacher-Erklärung, Das Leben mit der Rundfunkkrise ist fast schon Gew^&jit.geworden. Weshalb auch das Parlament nunmehr einiges klarstellen muß: in einer Enquete (wie die Opposition will) oder mit dem Antrag auf Verfassungsschutz für den Rundfunk.

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Kaum ein Tag, an dem der Rundfunk nicht Schlagzeilen macht. Heute ORF-Kommission, morgen Verhandlungen mit Josef Ferenczy; heute eine Gewerkschaftsresolution, morgen eine Bacher-Erklärung, Das Leben mit der Rundfunkkrise ist fast schon Gew^&jit.geworden. Weshalb auch das Parlament nunmehr einiges klarstellen muß: in einer Enquete (wie die Opposition will) oder mit dem Antrag auf Verfassungsschutz für den Rundfunk.

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Nun ist der Rundfunk in fast allen Ländern des freien Europa Gegenstand der Kontroverse und der Polemik; er steht im Besitze des Staates — aber er ist der Regierung nicht Untertan; er wird finanziert von nahezu jedem Haushalt — aber dennoch ist er autonomes Monopol ohne Verpflichtung zum Vollzug eines sogenannten Publikumsgeschmacks; er stellt einen wichtigen Teil der publizistischen Öffentlichkeit dar — und ist selbst Gestalter der öffentlichen Meinung.

Das alles zwingt heute mehr denn je, das Problem des Rundfunks in Österreich als Gesamtproblem zu sehen: als notorischen Konfliktfall für die Konkurrenz von Grund- und Freiheitsrechten; als Teilproblem einer neuen, alle Medien umfassenden Gesamtreform der Massenkommunikation in Österreich; als Materie sui .generis (und nicht als Teilproblem des Fernmeldewesens); als Hauptbeteiligten auf einem Markt der Audiovision, der durch <“e Kassette und durch das Kabel-TV erst technologisch in den Konturen sichtbar ist; kurzun: Das Rundfunkwesen steht zur Diskussion, nicht nur die Frage, ob denn wohl drei Intendanten statt einem Generalintendanten und zwei Direktoren das Programm anders machen würden, ob die Kunden und Redakteure mitreden dürfen — und wie.

Schon greift die nächste Generation in der technischen Entwicklung sichtbar in die Ereignisse ein. Die Zeit drängt.

Die ORF-Kommission, die der Bundeskanzler ins Leben gerufen hat, sollte ihre Aufgabe also selbst dann nicht nur im Blickwinkel eines kurzatmigen — wenngleich innerpolitisch nicht unerheblichen — Interessensclearing sehen, wenn der Regierungschef auch offenbar nichts anderes will als Formulierungshilfen für Vorstellungen der Mehrheitspartei — wenngleich damit noch nichts gegen die Novellierungsbedürftigkeit des Rundfunkgesetzes gesagt sein sollte: ist es doch ein in-vielem unpräzises, umständliches, nicht komplettes Gesetz — was die heutige Rundfunkführung am schmerzlichsten selbst erkannt hat. Aber offenbar steht ja etwa die Interpretation so holprig-unpräziser unjuristischer Leerformeln im Gesetz wie „angemessene Berücksichtigung“, „hohes Niveau“, „angemessene Mitbestimmung“, „fachliche Eignung“ nicht zur Diskussion; weshalb man kein Prophet sein muß, jeder Rundfunkführung vorherzusagen, daß ihr auf jeden Fall und immer wieder vorgeworfen werden wird, ein — eben willkürlich auslegbares — Gesetz zu verletzen. Deshalb sollte nicht eine Instanz geschaffen werden, die Verstöße gegen das Rundfunkgesetz prüft — sondern vor allem zuerst eine Instanz, die überhaupt das Rundfunkgesetz verbindlich auslegt.

Das alles aber ist — selbst dann, wenn es auf dem Hauptkriegsschauplatz geschieht — nur ein Teil des Gesamtphänomens, das Juristen wie Technikern, der Rundfunkführung wie der Regierung ins Haus steht.

Es geht um die Gesamtordnung der audio-visuellen Zukunft Österreichs. Es geht darum, wie und wer wirklich Information und Unterhaltung steuern wird, wenn es einmal von der Bildzeitung über das Privat-TV bis zur abrufbaren Unterhaltungs-Super-Show alles geben wird; wenn von Oswald Kolle bis zur medizinischen Vorlesung alles auf die Mattscheibe kommen kann: für jedermann zu erschwinglichem Preis, jederzeit abrufbereit, in Millionen Haushalte.

Ist das der Durchbruch in die Dimension der Freiheit — das Ende des „Geschmacks- und Konsuma-tionsterrors durch eine Monopolanstalt“? Die „Befreiung vom Meinungsmonopol“, wie sie Bruno Kreisky anstrebt?

Oder nur die unendliche Triviali-sierung der Freizeit? Die Pradler Ritterspiele als tägliche Hitparade? Die De-Eskalation zum Bildschirm-Boulevard? Der Test steht noch aus; wenngleich Pessimismus am ehesten angebracht zu sein scheint. Was also tun?

• Es gilt, dem heutigen Rundfunk, der eine öffentliche Aufgabe erfüllt, gewisse Rechte einzuräumen; der Rundfunk braucht eine — der Pressefreiheit adäquate — Rundfunkfreiheit, die das staatseigene Unternehmen wirklich unabhängig macht: wie es das Rundfunk-Volksbegehren auch vorsah. Gerade diese Zeitung hat dies schon zu einer Zeit gefordert, als die Opposition (die nun einen Antrag im Nationalrat einbringen will) den Rundfunk ausschließlich unter dem Aspekt der Machtpolitik sah.

• Der Rundfunk darf nicht zum Getriebenen eines freien, audiovisuellen Marktes werden: Das will besagen, daß etwaige künftige Konzessionserteilungen an zweite, dritte TV-Anstalten (gleichgültig, ob diese drahtlos oder via Kabel senden) bei der Festlegung ihrer Pflichten und ihrer Kontrolle diese nicht besser als den Rundfunk stellen dürfen — wobei für die nächste Zeit eigentlich zu sagen ist, daß eine zweite Anstalt reine Hochstapelei wäre.

• Das Kassettenfernsehen muß Gegenstand einer künftigen gesetzlichen Regelung werden; es geht nicht an, daß sich dieser, Markt völlig ungehemmt entwickelt und für ihn der uneingeschränkte freie Wettbewerb gilt. Staatliche Beteiligungen an einer Kassettengesellschaft dürften nur dann erfolgen, wenn damit die Sicherheit geboten ist, daß eine solche Gesellschaft auch wirklich im Sinne einer Kultur- und Bildungsfunktion tätig wird.

Man mache sich die Sache also nicht zu leicht: Nicht Gesetzeskosmetik mit politischer Einfärbung ist notwendig, sondern Überlegungen auch für die fernere Zukunft. Man sollte den Schritt in diese Zukunft nicht mit geschlossenen Augen tun.

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