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Zwischen Rom und Konstantinopel

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Die Brüder Kyrill und Method waren nicht die ersten Slawenmissionare, aber ihr Wirken hatte bis in unsere Tage reichende politische und geistesgeschichtliche Folgen.

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Die Brüder Kyrill und Method waren nicht die ersten Slawenmissionare, aber ihr Wirken hatte bis in unsere Tage reichende politische und geistesgeschichtliche Folgen.

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Vor 1100 Jahren starb der hl. Method, der zusammen mit seinem jüngeren Bruder Konstantin (besser bekannt unter seinem Mönchsnamen Kyrill) als „Lehrer der Slawen“ in die Geschichte eingegangen ist. Das Jubiläumsjahr wurde in zahlreichen europäischen Ländern, die sich in verschiedener Hinsicht als Erben der beiden „Slawenapostel“ fühlen, festlich begangen. Auf Einladung von Land und Erzdiözese Salzburg sowie des Stiftungsfonds „Pro Oriente“ (ab sofort gibt es auch eine eigene Salzburg-Sektion) sowie der Universität Salzburg fand vom 20. bis 22. September in Salzburg ein Internationales Symposion zum Thema „Salzburg und die Slawenmission“ statt.

Vierzehn Wissenschaftler aus der Bundesrepublik Deutschland, aus Ungarn, der Tschechoslowakei, Bulgarien, Griechenland, den USA und Österreich legten dabei vor einem zahlreich erschienenen Publikum ihre jüngsten Forschungsergebnisse darüber dar, „wie das Christentum zu den Slawen kam“. Brachten es die aus Saloniki stammenden Brüder und begründeten sie damit die slawische Eigenständigkeit und die Teilnahme dieser Volksgruppe an der europäischen Kultur? So steht es heute noch in manchen Geschichtsbüchern. Oder wie war es sonst?

Unbestreitbar ist, daß das Wirken der Slawenapostel in Mitteleuropa die Entwicklung dieses Raumes bis in unsere Tage mitbestimmt hat. Papst Johannes Paul IL trug dieser Tatsache Rechnung, als er am 31. Dezember 1980 den hl. Kyrill und den hl. Method gemeinsam mit dem hl. Benedikt zu Schutzpatronen Europas erklärte. Doch die Missionare, die auf Wunsch des Slawenfürsten Rastislaw vom byzantinischen Kaiser Michael III. und dem Patriarchen Photios an die mittlere Donau entsandt wurden, waren nicht die ersten Lehrer des Christentums in diesem Raum.

So betonte etwa der Slawist Otto Kronsteiner (Salzburg) beim Symposion, daß die Christianisierung der Slawen schon rund 250 Jahre vorher begonnen habe: „Uberall, wo Vertreter dieses Volkes im 6. Jahrhundert in die Nachfolgegebiete des römischen Imperiums eingewandert sind, kamen sie auch mit dem Christentum in Berührung. Das gilt ebenso für das Gebiet des heutigen Kärnten wie für Dalmatien, für Pannoni-en, Bulgarien und Griechenland.“ Einen Beweis dafür sieht der Sprachwissenschaftler unter anderem in der schon früh erfolgten Übernahme solcher Wörter wie „Kirche“, „Kreuz“ oder des Namens Christ in die damalige slawische Volkssprache.

Ab 750 setzte dann die planmäßige Christianisierung der slawischen Stämme ein. Eine Hauptrolle spielte dabei das Bistum Salzburg - neben Regensburg und Passau —, von wo Bischof Virgil (745-784) die ersten Missionare nach Karantanien und Pannonien ausschickte. Schon diese „Salzburger Slawenlehrer“ bedienten sich für Glaubensunterweisungen und Predigten der Sprache ihrer „Schüler“. Die verwendeten Texte wurden zum Teil (in lateinischer Schrift) aufgezeichnet.

Auf dem so vorbestellten Feld wirkten dann Kyrill und Method

äußerst erfolgreich weiter. Wobei ihr Erfolgsrezept - so der Historiker Heinz Dopsch (Salzburg) — vor allem darin bestand, daß sie nicht nur in slawischer Sprache lehrten, sondern schon im 9. Jahrhundert die gesamte Messe in der Volkssprache feierten.

Statt der lateinischen bediente man sich jetzt der von den Brüdern mitgebrachten glagolitischen Schrift, die jedoch nur im kroatischen Küstenland und auf den dalmatinischen Inseln längere Zeit (teilweise bis ins 20. Jahrhundert) fortlebte.

.....Schon im 9. Jahrhundert die Messe in der Volkssprache gefeiert...“

Die nach Methods Tod (dem „Eindringling“ aus dem Osten hatte man bereits 870 in Regensburg den berühmten Prozeß gemacht und ihn nachher immer mehr isoliert) sofort vertriebenen Schüler der Slawenapostel bedienten sich an ihrer neuen Wirkungsstätte in Bulgarien der ky-rillen Schrift, das heißt einer Variante der griechischen Schrift mit einigen turkbulgarischen Elementen. Diese wurde dann zur Basis jener Schriftform, die heute etwa in der Sowjetunion von Millionen christlichen und nichtchristlichen Slawen und auch

Nichtslawen verwendet wird.

Versuchte Kronsteiner beim Salzburger Symposion, gestützt vor allem auf sprachgeschichtliche Erkenntnisse, die historische Kontinuität von der Antike zum Mittelalter und ihre Bedeutung für das Slawentum in Mittel- und Südosteuropa herauszuarbeiten— die Slawenlehrer sind so gesehen Glieder in einer langen Entwicklung —, so ging es Dopsch um die Klärung der welthistorischen Bedeutung der Ereignisse des 8. und 9. Jahrhunderts und um die zentrale Rolle, die Salzburg dabei spielte.

Wie der Wissenschaftler feststellte, müssen der hochgebildete Philosoph Konstantin/Kyrill und der Organisator und erste slawische Erzbischof Method — unbeschadet ihrer Verdienste für die slawische Kulturgeschichte -letztlich als Schachfiguren im Spiel der Mächtigen der Zeit gesehen werden. Das waren der byzantinische Kaiser und der Patriarch von Konstantinopel auf der einen, das Frankenreich und das sich eben aus weltlicher Bevormundung lösende Papsttum auf der anderen Seite.

Ziel dieser Machtblöcke war es, ihre Einflußsphäre in Mitteleuropa auszudehnen, zu, festigen, zu erhalten. Eines der in diesem Zusammenhang gebrauchten Mittel war die Verbreitung des Christentums. So wird auch verständlich, daß die Slawenmission im 8. und 9. Jahrhundert (allen voran die Tätigkeit der Salzburger Mönche und der beiden Slawenapostel) weitreichende politische und geistesgeschichtliche Folgen zeitigte. Schon vor 1100 Jahren wurde beispielsweise die noch heute bestehende Teilung der Slawen in einen lateinisch-katholischen und in einen kyrillisch-orthodoxen Bereich grundgelegt. Und auch die Tatsache, daß es heute ein österreichisches Bundesland Kärnten gibt, hat damit zu tun.

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