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Zwischen Rom und Osten

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Am 3. November 1973 vollendet eine der bekanntesten Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens in Österreich, der Metropolit von Austria Dr. theol. et Dr. phil. Chrysostomos Tsiter, das 70. Lebensjahr. Eis ist das ein sehr willkommener Anlaß, auf das Wirken dieser Persönlichkeit hinzuweisen. Metropolit Chrysostomos wurde 1903 in Triglia in Kleinasien geboren. Seine Familie hat das schwere Schicksal der großen Ausweisung der Griechen aus Kleinasien mitgemacht. Sein Onkel, der Erzbischof von Smyrna Chrysostomos Kalafatis, erlitt damals 1922 den Märtyrertod. Erzbischof Kalafatis zählt heute noch zu den ganz großen Männern der untergegangenen orthodoxen Kirche Smyrnas, und Denkmäler in Griechenland erinnern an diese überragende Persönlichkeit Unser Jubilar, in dessen Arbeitszimmer ein großes Bild des Erzbischofs Kalafatis hängt, trägt als kostbares Erbe das Enkolpion des letzten Metropoliten von Smyrna. Es ist das gleiche, das auf dem Bild zu sehen ist, nur ist es nicht mehr vollständig. In dem schweren Sturm der Verfolgung der Kirche von Smyrna wurde auch dieses Enkolpion beschädigt, und Doktor Tsiter hat es niemals ergänzen lassen, damit die Erinnerung an diese furchtbare Zeit nicht verlorengehe.

Der Lebenslauf des Jubilars führte ihn über die Mittelschule in Kleinasien und Smyrna an die Universität von Athen, wo er

1924 das Doktorat der Theologie erwarb. Dr. Chrysostomos war

1925 bis 1936 Mittelschulprofessor

in Athen und wurde dann zum Archimandriten der griechisch-orthodoxen Gemeinde zur Heiligen Dreifaltigkeit in Wien ernannt. Seit 1936 wirkte er als Lektor für Neugriechisch an der Universität und erwarb 1939 noch das philosophische Doktorat in Wien.

Wir können es hier offen sagen, daß unser Jubilar zu den ältesten und zugleich verständnisvollsten Befürwortern eines engeren Gedankenaustausches zwischen den orthodoxen und den mit Rom vereinten Ostkirchen auf österreichischem Boden zählt. Da ich selbst diesem Kreis angehöre — ich wurde 1935 auch für Ostkirchenrecht an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Wien habilitiert — und ein sehr enger Freund des seither verstorbenen, ungemein verdienstvollen Pfarrers von St. Barbara Dr. Hornykiewicz war, weiß ich, und Metropolit Chrysostomos hat das immer gerne bestätigt, daß er mit Dr. Hornykiewicz gerade in ökumenischen Fragen sehr verbunden war und daß gemeinsame Gespräche hier die ersten Grundlagen geschaffen haben. Mir hat Dr. Hornykiewicz des öfteren davon erzählt, und das geschah zu einer Zeit, als Kontakte mit den Orthodoxen noch durchaus nicht zur täglichen Selbstverständlichkeit in der katholischen Kirche zählten. Man muß heute auch sagen, daß der erste Widerhall solcher Bestrebungen, wie sie hier auch in Wien durch unseren Jubilar gefördert wurden, der große Kongreß Pro Oriente Christiano im Frühling 1937 in Rom war, wo zum ersten

Mal Orthodoxe an den Verhandlungen teilnahmen. Das Erlebnis dieses Kongresses ist für mich von nachhaltiger Wirkung geblieben. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sollte allerdings viele Hoffnungen zerstören.

Dr. Tsiter hat den Zweiten Weltkrieg, da Griechenland durch das Hitler-Reich überfallen und besetzt war, bei seiner Wiener Gemeinde erlebt. Es ist hier nicht der Platz, Erinnerungen an die zahllosen Schwierigkeiten wachzurufen, denen Dr. Tsiter damals begegnete und die er immer wieder zu meistern wußte. Nach dem Kriege sollte sein Wirken dadurch belohnt werden, daß er 1955 zum Auxiliarbischof des Londoner griechisch-orthodoxen Erzbischofs mit dem Sitz in Wien vom Heiligen Synod in Konstantinopel gewählt wurde. Es zählt zu den verdienstvollsten Schritten des damaligen Unterrichtsministers Dr. Heinrich Drimmel, die Wege geöffnet zu haben, daß 1963 in Wien ein griechisch-orthodoxer Metropolitansitz errichtet wurde. Es war eine Selbstverständlichkeit, daß Chrysostomos Tsiter damals zum ersten Metropoliten von Austria erhoben wurde. Seither ist diese Metropolis von Austria, noch mehr aber ihr Inhaber Metropolit Chrysostomos, der Zentralpunkt der orthodoxen Kirche in Österreich. Es war ganz wesentlich sein Verdienst, daß 1967 das Orthodoxengesetz vom Nationalrat beschlossen wurde, das die seit 1690 gesicherte Rechtsstellung der Orthodoxen noch verbessert hat. Kein Wunder daher, daß — wenn auch zunächst durch Schwierigkeiten verzögert — 1970 der unvergeßliche ökumenische Patriarch Athenagoras I. Wien besuchte und das Ehrendoktorat der Rechtswissenschaft unserer Universität annahm.

Ich habe eingangs gesagt, daß Metropolit Chrysostomos zu den großen Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens in Österreich zählt. Die Wiener Griechen haben eine uralte Tradition, bedenken wir doch, daß 1156 der erste österreichische Herzog Heinrich Jasomirgott die byzantinische Prinzessin Theodora heiratete, die beide heute in der Stiftergruft der Schottenabtei begraben liegen. Wir haben die Wiener Griechen eigentlich nie anders denn als zu uns gehörend betrachtet. Darum freuen wir uns alle über den siebzigsten Geburtstag unseres Jubilars. Sein Weg ist nicht immer leicht gewesen und seine ökumenische Gesinnung, vor allem sein Verständnis für die katholische

Kirche, ist nicht immer ohne Kritik geblieben. Aber er hat seinen Weg eindeutig und klar verfolgt. Kein Wunder daher, daß er, da auch Italien zu seinem Jurisdiktionsgebiet gehört, ebenso wie die Schweiz, bei allen großen römischen Veranstaltungen als Gast anwesend war und wiederholt mit dem Papst zusammengetroffen ist.

Das alles rundet die Persönlichkeit dieses kirchentreuen Mannes ab. Wir Christen, denen es um die ökumenische Gesinnung ernst ist, sehen in ihm eines der tüchtigsten Bindeglieder. Wir Österreicher aber sind stolz, diesen Mann in unserem Lande zu wissen.

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