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Zwischen Weltraiimkino und Inkaschau

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Kulturlandschaft als Kommunikationsfeld einer Region - damit sind ganz bestimmte Bedürfnisse verbunden. Das ist in Oberösterreich seit langem bekannt. Mit der Aneignung eines geschichtlichen Grundwissens und auch mit der Sensibilisierung der Wahrneh-mungsfähigkeit hat es heute längst nicht mehr sein Bewenden.

Der Museumsboom ist auch in Linz eine Folge von Dynamisierun-gen. Sie sind einerseits extern vorsich gegangen, haben als andrän-gende Kraft Bewegungen eingeleitet. Andererseits sorgten aber auch die Museumsleute intern durch Diskussionen und Kritik dafür, daß ihnen mehr Aufmerksamkeit zuge-wendet wurde.

Wo immer Teilnehmerschaft und aktive Auseinandersetzung mit Kunst in den Blickpunkt geraten, war zuerst eine aufgeschlossene und unmittelbare Bearbeitung kultureller Phänomene, waren neue Ideen die Voraussetzung. Von diesem Ansatz ist seit jeher die Neue Gale-rie der Stadt Linz mit ihrem Direktor Professor Peter Baum ausgegangen. Die großen Impulsgeber und Künstler von Weltrang, außerdem wichtige, thematisch orientierte Expositionen bestimmen das Ausstellungsprogramm. Zu den Klassikern der Moderne (Picasso, Toulouse-Lautrec, Münch, Antonie Täpies, um nur einige zu nennen) wird die Avantgarde österreichischer Künstler oder Neuentdeckungen präsentiert wie Franz Blaas, Hubert Schatz, Siegfried Anzinger, Dietmar Brehm, der heuer den Landeskulturpreis für Film und auch als Experimentalfilmer bei den Österreichischen Film Tagen in Wels einen Preis errang.

Das Museum als "Ort des Verges-sens" und als "Ort des Bewahrens" hat heute nur noch bedingt Gültig-keit. Aktualisierte Aufbereitung ist auch in den Museen von Linz wich-tig, ob es sich um Begleitprojekte wie Filme, Fachreferate oder auch Kinder-malwochen handelt. Im Stadtmuseum Nordico laufen, nachdem Direktor Geo rg W a c ha in d en Ruhestand getreten ist, auch unter dem neuen Leiter Willibald Katzinger Vorträge zur Schausammlung, zur Linzer Stilgeschichte, zur Kunstgeschichte im weitesten Sinn. Ganz besonders beliebt sind die "Naturwunder"-Ausstellungen im Stadtmuseum Nordico, doch auch die aktuellen Ausstellungen zur Thematik "Fremde weite Welt".

Mit dem Namen von Wilfried Seipel, der 1985 nach Linz kam, ist vor allem die neue Landesgalerie verbun-den. Er hatte die Ober-licht-Möglichkeiten der gläsernen Dach-konstruktion erkannt (so wie vor ihm bereits Innenarchitekten der Linzer Kunsthochschule und Kulturpublizisten). Wenn Oberösterreich heute über eine der schönsten Galerien verfügt, die den zweiten Stock des Landesmuseums ein-nimmt und mit 1.000 Quadratmeter gewiß nicht klein ist.o verdankt man es auch seiner Initiative und seinem Durchset-zungsvermögen. Sie bietet einem hochqualifizierten Potential an her-vorragenden Malern, Plastikern und Installationskünstlern einen adäquaten Präsentationsraum. Davon zeugen Namen wie Othmar Zechyr, der nach seinen Ausstel-lungen im In- und Ausland sowie der Albertina hier mit überaus großen Formaten vertreten war, Alois Riedl und Johann Jascha, um nur einige zu nennen. In dieser Landesgalerie fühlen sichaber auch die Plastiker wohl, und die Instal-lationskünstler werden zu Raum-konzepten angeregt.

Museumsarbeit, das heißt auch spezifische Medienbetreuung und museumspädagogische Maßnah-men, heißt Jugendkatalog, Spielzelt und vielleicht sogar IMAX-Weltraumkino, die Attraktion bei der heurigen Landesausstellung "Mensch und Kosmos", die noch bis zum 9. Dezember im Linzer Schloßmuseum läuft. Seit Monaten, ausverkauft, wird in einem eigens errichteten Kino auf einer Riesenleinwand (17 mal 25 Meter) dem Zuschauer das prickelnde Erlebnis von Raketenstart und schwerelosem Aufenthalt im Weltraum geboten. Neben dem Genuß der unver-gleichlichen Panoramaaufnahmen des "blauen Planeten" aus 450 Ki-lometer Höhe fragt man bei diesem Film "Der Traum lebt" unweigerlich auch nach der Umweltsituation auf der Erde, ein weiterer und sicher mitgedachter Effekt.

Die Museumsszene in Linz, wie sie sich auf Landesebene noch vor einigen Jahren darstellte, ist schnell beschrieben: Es gab sie nicht. Besser gesagt, sie führte ein völlig zu-rückgezogenes Leben mit sorgfältig eingerichteten archäologischen Sammlungen und volkskundlichen Schätzen in den Schauräumen des Schloßmuseums. Daß im großen Gründerzeit-Bau des Landesmu-seums Francisco Carolinum über-haupt keine Ausstellungen statt-finden konnten, hatte auch ganz konkrete Gründe: die Räume, von denen nur einige - und die mit Koh-lenfeuerung - geheizt werden konn-ten, waren vollständig angeräumt mit naturwissenschaftlichen Ob-jekten.

Vor einigen Jahren, zum Amtsantritt von Direktor Seipel, wurde also erst eine Zentralheizung installiert. Daß es gelungen ist, nun im ersten Stock meh- fl^H rere Säle und auch den herrlichen Festsaal zu adaptieren, daß monatliche Ausstellungen, Konzerte, Filmvor-führungen und Tagungen veranstal-tet werden können, war eine kultu-relle Tat ersten Ranges. Da kann man auch die Silvesterbälle nicht vergessen, in die sich auch das Fern-sehen einblendete, das gerade eine mitternächtliche Diskussion über Museumsbelange brachte. Auch dieses Gespräch war als unabweis-liches Indiz dafür zu nehmen, daß Museumsleute unzumutbare Verhältnisse nicht mehr länger hinnehmen wollten und daß sie durchaus zum Rührauf bereit waren. Und der Ball? Als gelungener Versuch einer Öffnung des Tempels der Stil-leauch für gesellschaftliche Veranstaltungen darf er nach wie vor gelten. Vielleicht sollten noch mehr die aktiven Künstlergruppen des Landes zur Ausgestaltung eingela-den werden.

Denn schließlich ist das Landes-museum wieder zu einem Begeg-nungsort der schöpferischen Kräfte geworden. Endlich werden hier wieder diejenigen präsentiert, die für Oberösterreich bedeutsam sind, gleichgültig, in welchem Jahrhundert sie lebten. Johann Baptist Reiter, Margret Bilger, Anton Lutz, Karl Rössing, sie stehen als Beispiele für viele andere, zu deren Ausstellungen ebenfalls hervorragende Kataloge erschienen. Und sicherlich muß hier noch manches Schaffen aufgearbeitet werden. Von Künstlern der Jahrhundertwende und der Zwischenkriegszeit, die ohnehin bisher durch den Rost fie-len, auch von Zeitgenossen wird man noch manches hören.

Selbstverständlich erhebt sich heute in der Linzer Museumsszene-rie bereits die Frage, ob Direktor Seipel zur Unzeit als Generaldirektor an das Kunsthistorische Museum in Wien gegangen ist, wo er in Oberösterreich noch dringend benötigt worden wäre. Denn noch immer wartet ein "Museum für Natur, Mensch und Umwelt", seit Jahren geplant, auf Realisierung.

Das neuerwachte Interesse der Bevölkerung an kultureller Teilnah-me zeitigt sichtbare Folgen. So hat die Neue Galerie der Stadt Linz, im heurigen Jahr um 600 Quadratmeter erweitert, mit ihrer ethnomy-thischen, großartigen Schau "Ursprung und Moderne" auch einen Teil der Landesausstellung mitgetragen und mit ihrer j etzigen Schau "Oberösterreich Avantgarde" bis zum 25. November noch eine sozu-sagen "heimliche" Landesausstel-lung eingerichtet.

Mit dem Verständnis des heutigen Menschen für die Zusammenhänge der Natur, mit denen er sich genauso wie mit j enen der Geschichte vertraut machen will, setzt auch das philosophische Staunen ein -als Voraussetzimg allen Verstehens, das die Wissenschaft im Museum vorbereitet. Konzipiert von Seipel, hielten im Linzer Schloßmuseum in den vergangenen Jahren bedeu-tende kunst- und kulturgeschicht-liche Ausstellungen ihren Einzug, die mit der alten Tropenkultur in Papua-Neuguinea, mit der Kunst Altzyperns und der Azteken sowie der des Alten Ägypten bekannt-machten. Ein neuer Museumsdirek-tor wird im Laufe des Jahres 1991 laut Ausschreibung bestellt werden mit einem unvorstellbar weit verzweigten Arbeitsbereich. Die kommende Inka-Schau, von Seipel bereits geplant, wird aber von ihm noch betreut werden.

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