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Zwischenbilanz der Reform

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Das Begutachtungsverfahren ist abgeschlossen. Im Ministerium sind die Beamten dabei, Berge von Stellungnahmen zu verarbeiten. Die Erwartung, noch in diesem Sommer ein neues Universitätsorganisationsge-setz beschließen zu können, wird nicht in Erfüllung gehen. Das Thema ist zu brisant, die Materie zu komplex — und die Emotionen noch zu sehr in Bewegung, als daß man in raschen Zügen durchpeitschen könnte, worum seit zehn Jahren gestritten wird und was nun für Jahrzehnte gelten soll.

Österreich ist manchen seiner Nachbarn ein gutes Stück voraus, weil man hier zuerst an die Reform der Studienordnungen gegangen war und dann erst versuchte, die Struktur der Universität zu ändern, statt das Unbehagen an uneffektiven Studienbedingungen durch das Basteln ideologisch basierter Strukturmodelle beseitigen zu wollen. Diese Tatsache wird in Österreich leider zu gerne übersehen.

Aber auch die ersten Überlegungen um eine neue Organisation, ja selbst um die Mitbeteiligung der Studenten am akademischen Geschehen reichen in Österreich bis vor die Ereignisse in Berkley und Berlin zurück, die di~ studentische Unruhe erst über die Universität hinaus bewußt werden ließen. Schon parallel zu den Beratungen um das Allgemeine Hochschulstudiengesetz liefen in Minister Piffls Rat für Hochschulfragen die Planspiele, aus denen eine neue Form der Universität erwachsen sollte. Die Ergebnisse haben nicht unwesentlich in den letzten Gesetzentwürfen Eingang gefunden. Auch das hat man vielfach vergessen.

Selbst die Jahre der scheinbar völlig fruchtlosen Streitereien in der Parlamentarischen Hochschulreformkommission sollte man im Rückblick nicht nur als negativ abschreiben. Sie dienten vor allem dem Lern- und Meinungsbildungsprozeß, nicht zuletzt auch dem Dampfablassen, dem Einanderkennenlernen. Wenn man heute analysiert, was an Neuerungen unbestritten, ja zum Teil schon durchgeführt ist, aber auch welche Forderungen längst fallengelassen wurden, und dies mit den Proklamationen „unabdingbarer“ Forderungen von 1968 vergleicht, kann man erst die Wichtigkeit dieses Prozesses und die Verdienste der Kommission werten.

Minister Firnberg hatte dann mit der Vorlage eines Diskussionsentwurfes für ein neues Gesetz die Diskussion in eine neue, zielgerichtete Bahn gelenkt, aus diesem vielfach abgelehnten und dann modifizierten Entwurf wurde ein zweiter, der Mi-nisterialentwurf. Mit den wichtigsten Elementen aus der Begutachtung soll nun der endgültige Regierungsentwurf werden, aber auch an diesem dürfte im Parlament selbst noch sehr wesentlich gehobelt und gefeilt werden.

Die Kritik der Universitäten — so gut wie aller Professorengremien, in manchen Fällen aber auch gemeinsam mit Assistenten und Studenten — war durchwegs hart, ablehnend, aber eine nähere Analyse der Meinungen ließ vor allem drei bis vier harte Kerne erkennen. Selbst hier scheint in letzter Phase ein Ausweg zur Übereinstimmung nicht ausgeschlossen. Da ist zunächst die Frage der Mitbestimmung der Studenten im Institut, dann die rein ausführende Funktion des Institutsvorstands, ferner die Forderung, daß alle bei allem mitbestimmen sollen, die engere Bindung des Rektoratsdirektors an das Ministerium und schließlich die alphabetische Reihung der Berufurtgsvorschläge. Eine Beschränkung der Wählbarkeit der Studentenvertreter auf höhere Semester, bei Durchgangsinstituten auf Diplomanden und Dissertanten, eine Verstärkung der Position des Institutsvorstands und die Einschränkung dieser Funktion auf die Ordinarien; die Klausel, daß nur der über eine Qualifizierung mitbestimmen kann, der sie selbst erreicht hat — den andern soll volles Mitspracherecht bleiben — und eine verbesserte Anerkennung der Autonomie der Hochschule könnten denkbare Kompromisse ergeben.

Vor allem aber hat in den letzten Wochen ein Gedanke an Boden gewonnen, der sich bereits im Schul-sektor als günstig erwiesen hat und zu dem Frau Firnberg auch für den Universitätssektor in Schweden angeregt wurde: Warum muß man so tiefgreifende Änderungen allen gleichzeitig und in gleicher Weise oktroyieren, ohne abschätzen zu können, was sich wirklich bewähren wird? Warum nicht auch hier Versuche, Experimente?

Warum sollte man nicht in einem gegebenen Rahmen den einzelnen Hochschulen die Freiheit einräumen, jene Formen der Mitbestimmung, der Neuordnung, der Zusammenarbeit aller am akademischen Meinungsprozeß Beteiligten zu finden, die gerade dort optimal erscheinen? Das scheint schon aus der Diskussion in der Reformkommission klar zu sein: ein Modell, das für Theologen und Mediziner, für Techniker und Archäologen gleicherweise gültig ist, kann es nicht geben.

Berlins Wissenschaftssenator Stein hat gerade zum richtigen Zeitpunkt in Wien über seine Erfahrungen mit der Hochschulreform berichtet. Dort hat man oktroyiert, auf die Gefahr hin, weite Kreise der Professoren vor den Kopf zu stoßen — die Folgen waren schwerer, als die Verantwortlichen voraussehen konnten. Nun sind sie bemüht, wieder zurechtzurücken, was falsch gelaufen ist — das ist anzuerkennen, aber wesentlich mühevoller.

Österreich kann davon lernen, und man scheint auch dazu bereit zu sein.

Frau Minister Firnberg hat mehrfach versichert, sie werde bemüht sein, die Zustimmung der Opposition für dieses große Reformwerk zu finden — andernfalls wäre es das erste Bildungsgesetz, das gegen die Opposition beschlossen würde. Sie hat angekündigt, der Regierungsentwurf werde, nach Einarbeitung der wichtigsten Ergebnisse aus der Begutachtung, etwa um Ostern dem Parlament übergeben werden. Dann werde man genügend Zeit haben, in einem Unterausschuß, mit Enqueten, Hearings, mit der Beiziehung von Experten die so schwierige Materie nochmals intensiv durchzuberaten. Wenn sich alle Beteiligten zum Grundsatz bekennen, daß alle Mitglieder der Universität auch an der Lösung der gemeinsamen Probleme mitwirken sollen, dann werde man über Paritäten ebenso sprechen können wie über Modalitäten. Diese Versicherung sollte doch eine erfolg-/erheißende Ausgangsposition geben

Ein Jahr intensiver Beratungen bis zur Beschlußfassung kann auch noch dazu beitragen, die ohnehin bereits etwas beruhigten Gemüter zu besänftigen. Dieses Jahr wird gut angewandt sein.

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