6856715-1977_18_09.jpg
Digital In Arbeit

Zwölf Jahre später:

19451960198020002020

Hoflnung auf einen „religiösen Brand” der Welt

19451960198020002020

Hoflnung auf einen „religiösen Brand” der Welt

Werbung
Werbung
Werbung

„Hoffnung” war das Zauberwort am Schluß des Diskussionsabends im Wiener Neustädter Bildungszentrum St. Bernhard, den die FURCHE veranstaltete und der vom ORF-Landesstu- dio Niederösterreich direkt übertragen wurde. „Hoffnung darauf1, so formulierte es einer der Diskussionsredner, „daß die Welt zwölf Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in einen religiösen Brand gesteckt werden kann.” Diskussionsleiter Dr. Walter Schaffelhofer von der FURCHE rundete das Ergebnis des Abends ab, in dessen Verlauf zwar wenig Kritisches, aber viel Engagement auch des Publikums zum Vorschein kam: „Der Großteil der schweigenden Mehrheit in der Kirche gibt Anlaß zur Hoffnung. Die Kirche ist nicht auf dem absteigenden Ast.”

Am Podium diskutierten Univ.- Prof. Dr. Josef Weismayer und Univ.- Prof. Dr. Josef Müller, beide von der Theologischen Fakultät Wien, Bischofsvikar Msgr. Florian Kuntner und Dir. Dr. Erich Schmutz, Präsident der Katholischen Aktion Wien. Alle vier waren sich in einem Punkt einig: Die Beschlüsse und Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils sind unter den Gläubigen viel zu wenig bekannt und werden zuwenig diskutiert. Kein Wunder: Die Menschen meinen, daß Interpretation und Durchführung der Beschlüsse des Konzils allein Sache des Klerus sei. Dabei sollte jedem Gläubigen bewußt sein, wie viel sich in der Kirche und rund um die Kirche in den letzten 12 Jahren geändert hat.

Gerade hier lag die besondere Bedeutung dieses Diskussionsabends: Das Zweite Vatikanische Konzü darf nicht isoliert von der Entwicklung der Theologie betrachtet und von den Gläubigen nicht falsch verstanden werden.

Nicht nur Erfolge wurden im Wiener Neustädter Bildungszentrum aufgezeigt, sondern auch Mängel. Msgr. Kuntner berichtete aus der Praxis: Erfolge sind für ihn, daß in der Liturgie vieles geschehen, die Verkündigung des Wortes Gottes besser geworden sei und ein höheres Maß an Mitverantwortung im kirchlichen Leben versucht werde. Gleichzeitig registrierte er aber auch Engagementlosigkeit, vor allem was den Glauben an das Konzil anbelange. Als „echtes Defizit” sieht er an, daß der Dialog zwischen Kirche und Welt noch zu wenig intensiv durchgeführt werde.

Fazit von Prof. Weismayers Beitrag, der die Entwicklung der Theologie seit dem Konzil analysierte: „Das Konzil brachte ein neues Klima in die Theologie. Die Kirche hat sich keineswegs von der Welt abgekapselt und befindet sich nicht in einem Ghetto.” Die Botschaft Christi werde ungekürzt unter die Menschen gebracht, so verständlich, daß sie der heutigen Zeit entspreche. „Natürlich hat das nicht allen in der Kirche Freude gebracht”, meint der Dogmatiker.

Ausgangsfrage des Statements von Prof. Müller: „Wie kommen die Beschlüsse des Konzils bei den Gläubigen an?” Er untersuchte die Frage am Beispiel der Jugendlichen zu beantworten und kam zu dem nicht gerade ermunternden Schluß, daß das Konzil bei der nachkommenden Generation zum Teil schon weit in der Vergangenheit liege. Bei vielen Schülern bemerkte er Unbehagen, weil die Religion an ihren Problemen vorbeigehe, Unbehagen bei den Eltern, die glauben, im Religionsunterricht werde zuviel diskutiert, und schließlich Unbehagen bei den Lehrern, die nicht mehr wüßten, was für Lehrinhalte sie ihren Schützlingen vermitteln sollen.

Dir. Schmutz schließlich meinte, daß die Aussagen des Konzils von den Gläubigen zu wenig radikal aufgenommen worden seien. Es gehe dabei nicht um die Radikalität in der Gesellschaft, sondern für die Gesellschaft. So sei das Dekret über das Laienapostolat zu wenig emstgenommen, ja mißverstanden worden: „Die Laien stehen nicht in Konkurrenz zu den Priestern. Wir suchen nur, nachdem das Priesterbild abgebaut wurde, die geistlichen Führer und wollen das Priesterbild wieder aufbauen.”

Die Diskussion mit dem Publikum brachte neue Aspekte. Fragen des Religionsunterrichtes wurden aufgeworfen, das Priesterbild diskutiert, am Rande über den Pluralismus in der Liturgie gesprochen. Es zeigte sich, daß konziliares Denken doch schon sehr weit im Kirchenvolk verstreut ist, sicherlich aber noch nicht weit genug. Dir. Schmutz meinte etwa: „Wir können nach diesen zwölf Jahren Geduld haben und abwarten, bis das Konzü immer weiteren Teilen der Bevölkerung bewußt wird. Wir können uns in dieser schnellebigen Zeit aber keine 200 Jahre mehr leisten, bis konziliare Gedanken auf breitester Basis zum Tragen kommen.”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung