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„Zynische Gebrauchsanweisung..

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„Herr Vorsitzender! Lieber Helmut Kohl! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Parteifreunde! ' ......BÜ

Es ist für mich eine große Ehre, diesem machtvollen Parteitag der CDU die besten Grüße der österreichischen Volkspartei zu überbringen. Europa ist nach den Grundsätzen und Wertvorstellungen christdemokratischer Parteien wiederaufgebaut worden, in die Freiheit geführt worden und unter christdemokratischen Regierungen zu Wohlstand gekommen. Das sollten wir nie vergessen.

Ich glaube, hier ruhig sagen zu können: Sehr viel an Substanz haben die europäischen Sozialisten zu dem europäischen Wiederaufstieg nicht beigetragen. Sie haben nicht viel mehr getan, als klassenkämpferische Parolen anzubieten und ein utopisches System umfassender gesellschaftlicher Planung — ein Irrlicht, dem sie bis heute noch nachlaufen.

Ich möchte hier ausdrücklich feststellen: Europa verdankt seinen wirtschaftlichen Wiederaufstieg der Tatsache, daß die sozialistischen Parteien ihre Vorstellungen vom Aufbau und der Organisation der Gesellschaft nicht durchsetzen konnten.

Die pluralistische Demokratie, zu der wir uns bekennen, war vielen sozialistischen Parteien viele Jahre hindurch ein Greuel, und wir wollen sie jetzt daran erinnern. Sie haben sie erst entdeckt, als sie draufkamen: Um mehr Wähler zu gewinnen, muß man die Taktik ändern. Sie haben dann dieses freie pluralistische System als ein Vehikel zur Erringung der Macht umfunktioniert. Das ist die Situation, in der wir uns befinden.

Sie haben den Wählern eingeredet, daß sie sich geändert hätten, daß sie nun eine andere sozialistische Partei oder andere sozialistische Parteien geworden seien. Das war die große taktische Wende, die sich bei den Sozialisten so vor 15 bis 18 Jahren abgespielt hat.

Aber meine Auffassung ist, daß eine ähnliche taktische Wende, wie sie einige sozialistische Parteien vor 15 bis 18 Jahren vorgenommen hoben, nun in Europa von einigen kommunistischen

Parteien vollzogen wird. Die geben vor, den Pluralismus zu akzeptieren. Sie streichen den Begriff der .^Diktatur des Proletariats“ aus ihrem Vokabular und; wollen damit signalisieren, sie seien andere geworden. Ich überlasse die Schlußfolgerung, was sich hier geändert hat, jedem einzelnen.

Ich behaupte, es hat sich grundsätzlich am Sozialismus nichts geändert. Lassen Sie mich das an Hand einiger Zitate aus dem Bereich des österreichischen Sozialismus beweisen. Da steht im Wiener Programm der Sozialistischen Partei Österreichs ein Satz von schlichter Überheblichkeit: „Sozialismus ist vollendete Demokratie.“ Das ist eine klare Aussage gegen die pluralistische Demokratie, und das verdient festgehalten zu werden.

Der Votsitzende der Sozialistischen Partei Österreichs, Bruno Kreisky, der sich oft vor Liberalität nicht groß genug tun kann, hat jüngst in einem Interview erklärt — und jetzt passen Sie bitte genau auf —: ,In dem Maße, in dem es gelingt, die gesellschaftliche Demokratie zu verwirklichen, in dem Maße werden sozialistische Ideen verwirklicht werden, schlägt die Quantität der Reformen in eine andere Qualität der Gesellschaft um, und dann nähert man sich einem demokratischen Sozialismus und der Sozialdemokratie.'

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage Sie: Wo ist denn das Neue am Sozialismus? Wenn die taktische Maske ein wenig gelüftet wird, kommt doch der alte Sozialismus wieder zum Vorschein, und zwar im altvertrauten revisionistischen Kleid, sowohl bei Ihnen wie bei uns. Das ist der Jargon der zwanziger Jahre, der Jargon der dreißiger Jahre. Ich frage Sie: Was hat sich hier geändert? Meine Antwort ist: Nichts hat sich geändert.

Es ist derselbe sozialistische Parteivorsitzende Bruno Kreisky, der in einem Brief an seine Freunde Willy Brandt und Olof Palme geschrieben hat — das ist alles veröffentlicht worden, und ich möchte das im Hinblick auf die Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland bedauern; gewiß kein Bestseller, aber es verdient,

hier festgehalten zu werden —; ,Denn es gibt viele, die mit uns' — mit den Sozialisten, meint Kreisky — ,ein Stück Weges “gelier? wollen, die mit vvs an der Lösung so mancher Fragen arbeiten wollen, ohne daß sie sich vorher deshalb zur Gänze unseren Zielvorstellungen zu verschreiben wünschen.'

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine zynische Gebrauchsanweisung für den Wählerfang. Bringen Sie doch diesen Satz unter die Leute! Er verdient es, bekannt zu werden. Er bedeutet: Mein lieber Wähler, wir brauchen Deine Begleitung nur für ein Stück Weges; hilf uns, die Macht zu betonieren; ist das geschehen, dann brauchen wir Dich nicht mehr! — Solche Satze müssen wir den Menschen bewußt machen, jeder muß sie kennen.

Nachdem die Sozialisten einige Jahre die Soziale Marktwirtschaft für sich zu okkupieren versucht haben, wird jetzt — auch im Hinblick auf die Krise, an deren Zustandekommen sie gewiß nicht unschuldig sind — die Maske gelüftet. Was wird dazu gesagt? Ich zitiere wiederum Bruno Kreisky: ,Wir befinden uns, so glaube ich, in der Anfangsphase einer Renaissance des planwirtschaftlichen Denkens.' Da sei Gott vor, das sollte nicht sein, das wollen wir nicht.

Aber nun regieren die Sozialisten seit einer Reihe von Jahren in europäischen Staaten, in denen sie vorher nicht regiert haben, und sie können die Verantwortung nun nicht mehr auf irgendwelche finsteren Mächte der Reaktion abschieben. Mit ihrer Regierungstätigkeit tragen sie die Hauptverantwortung für den heutigen Stand der Außen- und Innenpolitik dieser Staaten, der Bildungspolitik und der Wirtschaftspolitik. Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Sie haben nicht viel fertiggebracht. Inflation, Krise, Unsicherheit — das ist das Bild dessen, was sie in ihrer Regierungszeit gebracht haben. Es ist eben ein unlösbarer Widerspruch, ein System zu regieren, das man überwinden, ja zerstören will. Auch das müssen wir den Menschen sagen.“

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