Ursprünglich wollte Alice Harnoncourt, 1930 in Wien als Alice Hoffelner geboren, Solistin werden. Ihre Einspielung von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ ist eine bis heute unübertroffene Referenzeinspielung. Sie realisierte diese Aufnahme, selbstverständlich auf einer Barockgeige, mit dem Concentus Musicus. Ihn hatte sie mit ihrem späteren Gatten Nikolaus Harnoncourt, mit dem sie über sechzig Jahre verheiratet war, gegründet. Bis in die Mitte der 1980er Jahre wirkte sie hier als Konzertmeisterin. Eine Pioniertat in Zeiten, in denen Frauen kaum in Orchester aufgenommen wurden, schon gar nicht für ein erstes Pult. Kennengelernt hatten sich die Harnoncourts beim fast schon vergessenen Wiener Hochschulprofessor Josef Mertin, einem der bedeutendsten Kenner alter Musik und Instrumente. Beides wurde für sie bald zum alles dominierenden Lebensinhalt.
Erst einmal gründeten sie das Wiener Gambenquartett, später den Concentus Musicus. Damit war an eine Solokarriere von Alice Harnoncourt nicht mehr zu denken. Sie war nicht nur die wichtigste Wegbegleiterin ihres Mannes, dem sie für seine Tätigkeit den Rücken freihielt. Sie schrieb, als es noch keine Kopiergeräte gab, auch die Noten aus alten Stimmen für die Orchestermusiker ab, managte das Ensemble und sorgte für ihre große Familie. Damit musste die Idee, mit ihrem Mann am Cello und Friedrich Gulda, mit dem sie in jungen Jahren viel musiziert hatte, die beiden Schubert-Klaviertrios ganz nach ihren revolutionären „Klangrede“-Ideen aufzuführen, Wunschtraum bleiben.
Auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Concentus, in dem sie in späteren Jahren vom ersten auf das zweite Geigenpult wechselte, blieb Alice Harnoncourt die Seele des Ensembles. Bis zuletzt konnte sie sich heftig darüber ereifern, dass nicht alle Interpreten die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Interpretation alter Musik in die Praxis umsetzen. Das blieb für diese Originalklang-Pionierin auch nach dem Tod ihres Gatten, für dessen Nachlass sie sich bis zuletzt engagierte, ein besonderes Anliegen. Am 20. Juli ist Alice Harnoncourt im Kreise ihrer Familie 91-jährig verstorben.
