Arik Brauer - © Foto: APA /Robert Jaeger

Arik Brauer: Abschied eines Unfassbaren

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Arik Brauer, Maler, Sänger, Geschichtenerzähler, Architekt, Bühnenbildner, Tänzer, Poet und Familienmensch, ist 92-jährig gestorben.

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Arik Brauer, Maler, Sänger, Geschichtenerzähler, Architekt, Bühnenbildner, Tänzer, Poet und Familienmensch, ist 92-jährig gestorben.

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Es war im Oktober 2019 im Jüdischen Museum in Wien. Die halbe Republik war versammelt, weil ein Großer einen Preis bekommen sollte. Schwere und Getragenheit prägen solche Anlässe sonst, doch der damals 90-jährige Laureat verströmte zusammen mit seiner singenden Tochter Timna und Enkelin Jasmin unfassbare Energie. Als alle Reden gehalten waren, sprang er mit einem Satz auf die Bühne und nahm den „Fritz Csoklich Demokratiepreis“ in Empfang – ausgelobt von Styria Media Group, Kleiner Zeitung und Presse für Menschen mit Haltung, die Brücken bauen und sich zugleich nicht den Mund verbieten lassen.

Arik Brauer war ein Prototyp dieses raren Menschenschlages – und noch viel mehr: Am 4. Jänner 1929 als Erich Brauer in eine russisch-jüdische Handwerkerfamilie in Wien-Ottakring hineingeboren, entfaltete er eine atemberaubende Breite an Künsten. Nach dem Krieg – sein Vater war im KZ ermordet worden, er selbst überlebte den Naziterror als U-Boot – begann der 16-Jährige das Studium an der Akademie der bildenden Künste. Hier traf er auch auf Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden, die gemeinsam die Wiener Schule des Phantastischen Realismus ins Leben rufen sollten – als von der Kunstszene belächelte, aber populäre Gegenposition zur abstrakten Moderne. Doch Brauer zog es vorerst in die Ferne, mit seiner Frau Naomi reiste er durch die Welt, schlug sich in der Pariser Bohème als Sänger und Tänzer durch und kehrte 1964 zurück nach Wien. Mit Protestliedern im Wiener Dialekt („Sie habʼn a Haus baut“) traf er hier den Zeitgeist der sich entwickelnden Ökologiebewegung, und in der Gumpendorfer Straße realisierte er seine Vision vom Bauen „ohne Winkelmaß“.

Bis zuletzt meldete sich Brauer gesellschaftspolitisch zu Wort – und entzog sich auch hier allen Zuordnungen: Den ressentimentgeladenen Diskurs der FPÖ verurteilte er, zugleich hielt er es für einen Fehler, sie nicht zur Mauthausen-Gedenkfeier einzu­laden. Menschliche Untaten prägten ebenso wie biblische Motive bis zuletzt seine märchenhaft-narrative Malerei. Vergangenen Sonntag ist Arik Brauer im Kreis seiner Familie gestorben.

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