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Der Papst ist ein Bischof

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Am 13. Oktober wird der Erz-bischof von Wien, Kardinal Hans Hermann Groer, 75 Jahre alt. Dann muß er gemäß geltendem Kirchenrecht dem Papst seinen Bischofssitz anbieten. Der kann annehmen oder ihn noch ein bißchen weiterregieren lassen.

Sieben Monate später, am 18. Mai 1995, wird dann Johannes Paul II. selbst 75 Jahre alt. Als Papst ist er Bischof von Rom -genauer gesagt: umgekehrt. Der Bischof von Rom ist Papst. Er muß aber niemandem sein Amt anbieten.

Darüber wird in der Weltkirche immer öfter und immer lauter nachgedacht. Tatsache ist freilich, daß Altersgrenzen ihre Vor- und Nachteile haben.

Gegenüber an Leib und Geist gebrechlich gewordenen Amtsträgern sind offizielle Jahreslimits eine Form der gütigen Ablösung. Niemand muß sagen: Du bist nicht mehr für dein Amt geeignet! Das Gesetz hat die Grenze für alle gleich gezogen.

Altersgrenzen können aber auch ungerecht sein. Sie zwingen auch Personen, die noch vollfit sind, aus dem Amt. So mancher hat noch im hohen Alter Außergewöhnliches geleistet - auch als Papst. Denken wir an Johannes XXIII., der erst mit 77 gewählt wurde und in fünf Jahren das Antlitz der Kirche verwandelt hat. Leo XIII. wurde mit 68 Papst und leistete noch zehn Jahre lang Geschichtsmächtiges.

Andere setzten entscheidende Taten als junge Päpste: Innozenz m. wurde mit 38, Pius IX. mit 48 Jahren gewählt. Und auch zurückgetreten sind Päpste schon im Lauf der Geschichte - sechsmal, nämlich: Pontian im Jahr 235, Martin I. 653, Benedikt IX. 1045, Gregor VI. 1046, Coelestm V. 1294 und Gregor XII. anno 1415 (Gegenpäpste da nicht mitberücksichtigt .

Ist dieser Kommentar also eine Forderung nach Rücktritt von Johannes Paul IL? Klare Antwort: Nein!

Aber er ist ein Plädoyer für Gerechtigkeit: Die Annahme, ein Bischof von Rom sei in jedem Fall auch nach Vollendung des 75. Lebensjahres noch ein guter Papst, jeder andere Bischof aber eher regierungsunfähig, ist unlogisch und wohl auch ein bißchen unchristlich.

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