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Die Gerechtigkeit nimmt Gestalt an

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Zwei umfangreiche Bände erleichtern der slowenischen Volksgruppe den Zugang zum österreichischen Recht.

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Zwei umfangreiche Bände erleichtern der slowenischen Volksgruppe den Zugang zum österreichischen Recht.

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In dem Maß, in dem der Rürger zu seinem Recht kommt und sich auf dieses Recht verlassen kann, nimmt die Gerechtigkeit in einem Staat konkret Gestalt an ”, erklärte der damalige Justizminister Egmont Fo-regger vor sechs Jahren. Der Anlaß: Die Präsentation des ersten Bandes eines deutsch-slowenischen Rechtswörterbuches. „Unser Ziel war es, Angehörigen der slowenischen Volksgruppe den Zugang zum österreichischen Recht zu erleichtern”, erklärt Ludwig Karnicar, Assistent am Institut für Slawistik an der Universität Graz und einer der beiden Autoren des Werkes. Denn seit dem Volksgruppengesetz 1976 ist in drei Kärntner Gerichtsbezirken (Rleiburg, Eisenkappel und Ferlach) Slowenisch Amtssprache. Nun wurde in Klagenfurt der zweite Band des Wörterbuches (slowenisch-deutsch) präsentiert. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Justiz und vom Land Kärnten finanziert.

Hinter diesem Unternehmen steckt eine gewaltige wissenschaftliche Arbeit. Der verantwortliche Autor Paul Apovnik, ein hoher Beamter in der Kärntner Landesregierung, und Ludwig Karnicar arbeiteten zahlreiche österreichische und slowenische Gesetzestexte durch und übertrugen die einzelnen juristischen Begriffe auf kleine Zettel - am Fnde waren es 100.000 kleine Blätter. In das Wörterbuch aufgenommen wurden schließlich 32.000 Stichwörter und Wortverbindungen pro Band.

Die Suche nach den richtigen Entsprechungen, den sogenannten sprachlichen Äquivalenten, gestaltete sich nicht einfach. Nur eine Minderheit von Begriffen - das gilt sowohl für die juristische, als auch für die Umgangssprache - läßt sich eins zu eins von einer Sprache in die andere übertragen. Zum Beispiel gibt es für den Begriff „Leistung” eine Reihe von Entsprechungen im Slowenischen. Auch die im Juristendeutsch bis zum Exzeß praktizierte Verwendung von sogenannten Komposita ist im Slowenischen nicht möglich: Sprachliche Monstren wie etwa „Zi-vilverfahreneinstellungsantrag” heißt dort soviel wie „Antrag auf Einstellung des Verfahrens vor dem Zivilgericht”.

Für eine juristische Publikation verkaufte sich der erste Band des Wörterbuches nach Angaben Karnicar „sehr gut”. Auch in Slowenien fand das 400 Seiten starke Werk großen Anklang. Immerhin, als der erste Band 1990 erschien, befand sich die damalige jugoslawische Teilrepublik mitten in einer politischen Neuorientierung. Daß Slowenien und Österreich in der Donaumonarchie über 600 Jahre in einem gemeinsamen juristischen Bereich lebten, hatten auch mehrere Jahrzehnte Sozialismus nicht vergessen machen können. Allerdings: „Von Ruhm kann keine Rede sein”, lächelt Ludwig Karnicar, „Man braucht viel Sitzfleisch und Idealismus, um so etwas zu machen”.

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