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Evangelische Synoden gedenken eines Märtyrers

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Es war sehr viel mehr als bloß pietätvolles Gedächtnis, daß die lutherischen und reformierten Mitglieder der Evangelischen Generalsynode, die derzeit in Linz tagt, ihre Eröffnungsandacht in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Gusen gehalten haben. Ja, man wollte des einzigen evangelischen Pfarrer gedenken, der in der Zeit des Nationalsozialismus zum Märtyrer geworden ist „Dr. Zsig-mond Varga, 1916—45, Pfarrer der reformierten (= evang. H.B.) Ungarn in Wien 1944, ermordet in Gusen (der gleiche Text auch auf Ungarisch)” steht auf der Gedenktafel, die im Beisein der Synodalen, von Landeshauptmann Josef Pühringer, Vertretern der römisch-katholischen Kirche, der reformierten Kirche in Ungarn und des öffentlichen Lebens enthüllt wurde.

Aber dieses Gedenken geschieht nicht nur in einer bußfertigen Haltung, sondern im Bewußtsein eigener Schuld. Das ging sowohl aus den Worten des lutherischen Bischofs wie des reformierten Landessuperintendenten hervor, der das „Schuldbekenntnis der evangelischen Kirche A. u. H.B. in Österreich” aus dem Jahr 1988 gebetet hat:

„In dieser Stunde bekennen wir vor Gott: Unsere evangelische Kirche hat vor 50 Jahren nicht stark genug geglaubt und nicht mutig genug bekannt. Sie hat geschwiegen, wo sie hätte reden sollen; sie hat oft geredet, wo sie besser geschwiegen hätte. Durch ihre Schuld und ihren Ungehorsam ist Gottes Wort nicht klar und deutlich genug verkün digt worden. Aus Furcht vor Menschen sind viele von seiner Wahrheit abgewichen und haben dem Irrtum und der Verfügung nicht eindeutig widersprochen. Mit dieser Schuld, unter der wir immer noch leiden, treten wir heute vor

Gott und bitten ihn um Gnade und Vergebung. Wir hoffen, daß unsere Kirche heute seinem Auftrag besser gerecht wird und bitten Gott, daß er uns die Kraft gibt, dem Geist der Gewalt und . der Vergeltung, der heute von neuem mächtig werden will, zu widerstehen. Wir bitten um den Mut zur Wahrheit und Gerechtigkeit, um den Geist des Friedens und der Liebe.”

Es ist kein Zufall, daß diese „Diako-nie-Synode” auch zugunsten der Menschen beraten wird, deren Leben in der Nazizeit als lebensunwert gegolten hat. Diakonie ist immer politisch.

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