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Falsches Verständnis von Demokratie?

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In diesen Tagen ist fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit und verschämt ein die Universitäten betreffendes Gesetz vom österreichischen Verfassungsgericht aufgehoben worden. Es handelt sich um jenen Teil des Universitätsorganisati-onsgesetzes (UOG), das die Habilitationen an den Universitäten regelt.

Nach dem Gesetz waren sie nach dem Schlüssel von 4:2:2 von Professoren, Mittelbau und Studenten zu beschicken, wobei ein Vertreter des Mittelbaues habilitiert sein mußte. Für den positiven Abschluß eines Habilitationsverfahrens war die einfache Stimmenmehrheit aller Mitglieder notwendig; in diesen Kommissionen war also den nicht-habili-tiertejn Mitgliedern gleichberechtigtes Stimmrecht eingeräumt.

Diese Begelung, so die Richter, verstoße gegen das demokratische Gleichheitsprinzip, weil nicht ausgewiesene Wissenschaftler über wissenschaftliche Qualifikation abstimmen. Nunmehr muß für den positiven Abschluß einer Habilitation zumindest die Mehrheit der Stimmen von den habilitierten Kommissionsmitgliedern gegeben sein.

Mehr als 20 Jahre lang ist an den Universitäten nach einem undemokratischen Verfahren gehandelt worden. Habilitationen wurden nicht immer nach den strengen Regeln der AYissenschaft vorgenommen. Es bestand durchaus die reale Gefahr, daß ohne entsprechende Urteilsfähigkeit nicht die wissenschaftliche Qualifikation als maßgebend angesehen WTtr-de, sondern poetische Sympathie, Reliebtheit und ähnliche Gesichtspunkte die Entscheidung bestimmten. Vielleicht wäre manche Habilitation nicht zustande gekommen.

Nicht immer also dient institutionalisierte Demokratisierung der wirklichen Demokratie; und es bedurfte des Aterfassungsgerichtes, das die Regierung auf diesen Mißbrauch von Demokratie aufmerksam machen mußte. Vielleicht wäre es lohnend, auch andere im Namen der Demokratisierung erlassene Gesetze auf ihre demokratische Legitimation zu überprüfen. Der Philosoph Theodor W. Adorno hatte wohl nicht unrecht, als er davor warnte, die Demokratie könnte an einem falschen Ater-ständnis ihrer selbst zugrunde gehen.

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