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HANS THIRRING DIE KUNST DES ZUSAMMENLEBENS

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„Die Kunst des menschlichen Zusammenlebens" überschrieb Hans Thirring sein 1948 erschienenes Werk — und dieser Kunst galt nicht erst seit den Erfahrun gen des zweiten Weltkriegs sein Streben und Arbeiten. Wer wollte es glauben, daß der Mann, der1 seither zwei Jahrzehnte hindurch als oft unbequemer Mahner für den Frieden gearbeitet hat, nun schon den Achtziger feiert?

Thirring kommt von der Physik. 17 Jahre hindurch hatte er als Forscher und Lehrer seinen Schülern die Grundlagen der theoretischen Physik vermittelt. Sein erstes großes Werk galt der Idee der Relativitätstheorie. Aber die Suche nach der Erkenntnis dessen, „was die Welt im Innersten zusammenhält", führte ihn zur Überzeugung, daß dieses Etwas tief im Innersten des Menschen verborgen sei und daß es vor allem darauf ankomme, das Zusammenleben der Menschen zu gestalten.

Die Enthebung von seinem Lehrstuhl an der Universität Wien während der Jahre der Be setzung konnten Thirring nicht vom Nachdenken, vom Konstruieren, vom Weiterarbeiten abhalten. Wer erinnert sich heute noch der Flattermäntel, die damals über die Skipisten von Kitzbühel wehten und den Skifahrern eine zusätzliche Möglichkeit bieten sollten, Tempo und Schwung der Abfahrt zu regulieren? Die Entwicklung des Skisports ist darüber hinweggegangen. Nicht vergessen aber sei der Mann, der sich bemühte, die Gesetze der Physik der Volksgesundheit dienstbar zu machen.

1945 kehrte Thirring sofort auf seine Lehrkanzel zurück und setzte nun seine ganze Energie dafür ein, die Menschen zum Frieden zu erziehen. Als Vizepräsident der UNESCO-Kommission, als Bundesrat der SPÖ, als Mitglied des Akademischen Rates und in zahlreichen Gesellschaften trat Thirring für Abrüstung und Ausgleich ein, für eine aktive

Forschungsförderung, vor allem aber für die Erziehung der Jugend hin zur „Kunst des menschlichen Zusammenlebens“. Thirring war einer der ersten, die ohne Kommunist zu sein für das Gespräch mit dem Osten eintraten.

Schon als junger Extraordinarius hatte er den Haitinger-Preis der österreichischen Akademie der Wissenschaften erhalten, die ihn später zum korrespondierenden Mitglied wählte. Die Liga der Vereinten Nationen verlieh Thirring ihren Ehrenring, die Gemeinde Wien den Renner-Preis, die Temple University in Philadelphia das Ehrendoktorat der Naturwissenschaften. Für den bescheidenen, allen Ehrungen abholden alten Herrn dürfte es jedoch die größte Genugtuung gewesen sein, daß er seinem Sohn die Nachfolge an der Lehrkanzel üb ergeben konnte, die er fast vier Jahrzehnte innegehabt hatte.

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