Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Heilige Päpste
Es hat in der Kirche viele heilige Päpste gegeben. Es hat in unserem Jahrhundert aber nur einen Papst Johannes gegeben. Schon gleich nach dem Tod dieses großen und einmaligen Mannes der Kirche häuften sich die Stimmen, die diesen Papst zur Ehre der Altäre erhoben wissen wollten. Ja, manche glaubten, man würde seiner Bedeutung nur gerecht, wenn das Konzil in Anlehnung an den Brauch der Vrkirche ihn in öffentlicher Sitzung durch Akklamation in die Schar der Heiligen aufnehmen. P. Mario von Galli hat in einem Konzilskommentar auf das Problematische eines solchen Vorganges hingewiesen und die Stimme eines evangelischen Konzilsbeobachters angeführt, der sagte, er habe bisher jeden Tag am Grab des Johannes-Papstes gebetet, er könne dies nicht mehr, wenn man diesen Papst sozusagen aus seiner Menschlichkeit entrücke und ihn kanonisiere. Wenn man aber schon Papst Johannes nicht heiligspreche, so meinten wieder andere, dann könne man auf lange Zeit keine Päpste mehr heiligsprechen, dann wäre es vielleicht an der Zeit, die ganze sehr umständliche Praxis der Heiligsprechungsprozesse neu zu ordnen.
Papst Paul VI. hat anders entschieden. Er hat in einer Ansprache vor dem Konzil bekanntgegeben, daß er Anweisung gegeben habe, die Seligsprechungsprozesse für Papst Pius XII. und Papst Johannes XXIII. einzuleiten. Das mag fürs erste den Anschein haben, als ob der Papst damit eine salomonische Entscheidung getroffen habe, indem er soiooftl dem Drängen jener nachgegeben habe, die Papst Johannes heiliggesprochen wissen wollen, wofür schon über eine Million Bittschriften eingelangt sind, als auch jenen, die eine kirchliche Ehrung für den in den letzten Jahren wegen seiner Haltung im Kriege mit ebensoviel Vehemenz wie Unrecht angegriffenen Pius XII. verlangten.
Ein Seligsprechungsprozeß ist eine sehr umständliche Prozedur. Er kann Jahre und Jahrzehnte dauern. Papst Paul VI. hat mit dieser Entscheidung zumindest erreicht, daß die Frage der Heiligsprechung der Päpste und vor allem jene Johannes' XXIII. nicht von emotionellen Motiven beeinflußt werde. Jene Millionen Menschen auf der ganzen Welt, denen Johannes das Bild einer neuen Kirche gezeigt hat, werden ihn weiterhin verehren, die Katholiken als einen heiligmäßigen Mann, die anderen aber, und das sind nicht wenige, werden das Bewußtsein haben, daß er noch mitten unter ihnen ist und nicht in eine ihnen noch unverständliche Sphäre des Heiligen entrückt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!