Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Herzogin mit schlechtem Ruf
Als der neunzehnjährige Landes-fürst Johann Heinrich von Luxemburg am Abend des zweiten November 1341 von der Jagd zurückkam und nichtsahnend Einlaß in die Burg zu Tirol (bei Meran) begehrte, erhielt er nur die höhnische Antwort, er möge sich ein anderes Quartier suchen. Johanns eigene Gemahlin, die vierundzwanzigjährige Margarete von Görz-Tirol, hatte in seiner Abwesenheit einen Putsch durchgeführt, der die luxemburgische Herrschaft in Tirol abrupt beendete.
Wilhelm Baum, ein gebürtiger Düsseldorfer, der heute in Klagenfurt lebt, hat die bewegte Lebensgeschichte der Margarete zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Abhandlung gemacht. Urkunden über die Herzogin selbst gibt es nur wenige. Ihre Geschichte ist daher weitgehend diejenige der Männer, die in ihrem Leben eine Rolle spielten: so etwa der Wittelsbacher Ludwig von Brandenburg, später Herzog von Bayern, den sie in zweiter Ehe heiratete.
Von den Päpsten in Avignon wurde sie deswegen mit dem Kirchenbann belegt; ihnen leistete- Margarete ebenso erfolgreich Widerstand wie Kaiser Karl IV. Den europaweiten Machtkampf um die Beherrschung der Alpenpässe und die Kontrolle des Zugangs nach Italien entschied schließlich der Habsburger Rudolf IV. der Stifter für sich, dem Margarete nach dem Tod ihres zweiten Mannes und des einzigen Sohnes Tirol überschrieb.
Nach Margaretes Ableben 1369 in Wien entstand der Beiname „Maultasch”, ein Ausdruck, der gleichbedeutend mit Hure und damit symptomatisch für die päpstlich-luxemburgische Propaganda gegen die verhaßte Tiroler Herzogin war. Später entstand die salonfähigere Lesart, „Maultasch” beziehe sich auf eine Mißbildung des Mundes.
Baum verzichtet glücklicherweise auf die übliche Sex-and-crime-Bio-graphie, die bei Themen dieser Art heute beliebt ist. Mythen und Legenden, die sich um die Gräfin seit Jahrhunderten ranken, werden kritisiert, um zum historischen Kern vorstoßen zu können. Dem Verlag Styria ist für die gefällige Aufmachung des Buches zu danken.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!