Lotte Ingrisch - © Foto: APA / Herbert Neubauer

Lotte Ingrisch: „Eingehen ins Unbedingte“

19451960198020002020

Die österreichische Autorin Lotte Ingrisch ist tot. Die Witwe Gottfried von Einems starb vergangenen Sonntag kurz nach ihrem 92. Geburtstag.

19451960198020002020

Die österreichische Autorin Lotte Ingrisch ist tot. Die Witwe Gottfried von Einems starb vergangenen Sonntag kurz nach ihrem 92. Geburtstag.

Werbung
Werbung
Werbung

„In der Meditation machen wir unser Bewußtsein wieder jungfräulich. In einer weißen Wolke des Schweigens verhüllen wir es vor den Reizen der äußeren wie der inneren Welt“, schrieb Lotte Ingrisch am 14. März 1985 in der FURCHE. Vergangenen Sonntag ist die Autorin und Witwe Gottfried von Einems 92-Jährig verstorben. Mit der Schöpferin von Unterhaltungsromanen, Theaterstücken, Fernseh- und Hörspielen habe Österreich eine „unverwechselbare Künstlerin“ verloren, würdigte sie Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Ingrisch wurde am 20. Juli 1930 als Charlotte Gruber in Wien geboren. Von 1949 bis 1965 war sie mit dem Philosophen Hugo Ingrisch verheiratet und veröffentlichte in dieser Zeit Unterhaltungsromane. Einem größeren Publikum wurde sie mit ihren eingängigen Theaterstücken, meist Einaktern, bekannt — darunter „Damenbekanntschaften“ und „Vanillekipferln“. 1966 heiratete sie den Komponisten Gottfried von Einem. Die gemeinsam konzipierte Mysterien-Oper „Jesu Hochzeit“ löste 1980 bei ihrer Uraufführung im Theater an der Wien wegen „blasphemischer Textstellen“ einen Skandal aus. Die bereits darin vertretene Idee der Einheit von Leben und Tod manifestierte sich in weiterer Folge in Ingrischs sehr persönlichen Texten der 80er-Jahre, dem Bestseller „Reiseführer ins Jenseits“, dem „Nächtebuch“ und vor allem dem „Donnerstagebuch“, das ihr, so erklärte sie, vom verstorbenen Wiener Stadtrat Jörg Mauthe „aus dem Jenseits diktiert worden“ sei. Nach dem Tod ihres Mannes 1996 widmete sich Ingrisch der Gottfried von Einem-Stiftung. 2002 erhielt sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, vier Jahre später das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich. Schon in ihrem FURCHE-Essay von 1985 mit dem Titel „Waldviertler Meditationen“ setzte sich die große Schriftstellerin mit dem Tod von Mensch und Tieren auseinander: „Aber wie still und leicht lösten sich alle — auch die, welche Schmerzen litten — aus ihrer Bedingtheit, um einzugehen ins Unbedingte. Ich wünsche mir, eines Tages so wissend und demütig zu sterben wie ein Tier. Ja, auch zu leben wie sie.“ Ihre Stimme wird fehlen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung