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Österreichs erste Arztin

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Ein Kaiser, zwei Innenminister, drei Unterrichtsminister, vier Universitätsrektoren und vier Dekane waren während dreier Jahre mit der Sache befaßt, bis endlich, am 2. April 1897, zum ersten Mal eine Frau an der Universität Wien zum Doktor der Medizin promoviert werden konnte: Gabriele Possanner von Ehrenthal.

Die Tochter eines Finanzbeamten, seit 1880 Sektionschef im k.k. Finanzministerium, hatte nach Privatunterricht zunächst die Lehrerinnenbildungsanstalt absolviert, deren Bei-fezeugnis nur für die Tätigkeit in Volksschulen und Kindergärten berechtigte. Nach der zweiten Matura am Akademischen Gymnasium - als Externistin - war sie bereits 27 Jahre alt, aber besaß immer noch nicht das Becht, an der Universität zu studieren.

Also ging sie, wie schon andere Österreicherinnen vor ihr, nach Zürich, um Medizin zu studieren -und mußte bei der Anmeldung zur ersten Staatsprüfung erfahren, daß ihr Wiener Zeugnis in der Schweiz nicht anerkannt wurde. Also nochmals von vorne ...

1890, nach der dritten Beifeprü-fung, gings mit der Medizin weiter: im Oktober 1891 die zweite Staatsprüfung; im Dezember 1893 sprach ihr das eidgenössische Diplom das Recht zu, in allen Kantonen der Schweiz als praktische Arztin zu arbeiten. (Marcella Stern schildert alle Stationen dieses Weges in ihrer Monographie über Gabriele von Possanner in „Durch Erkenntnis zu Freiheit

Gabriele Possonner v. Ehrenthal Ancmv

und Glück", W. Heindl und M. Tichy, herausgegeben vom Wiener Universitätsverlag, 1993).

In diesen Jahren suchte das (gemeinsame) Reichsfinanzministerium bereits weibliche Arzte für Bosnien, wo die Muslimfrauen sich nicht von Männern medizinisch betreuen lassen wollten. Gabriele von Possanner aber wollte in der Heimat arbeiten -und stieß dort auf den Widerstand der männlichen Kollegen. Den Durchbruch brachte erst ein Gesuch ihres Vaters an Kaiser Franz Joseph, worauf die Nostrifizierung des Zürcher Diploms genehmigt wurde - nach nochmaliger Ablegung sämtlicher in Wien geforderten Examina: innerhalb von neun Monaten 21 'Termine bei 16 Prüfern. Als die zarte Frau im langen schwarzen Kleid endlich am 2. April 1897 - im Alter von 37 Jahren - neben 32 männlichen Kollegen promoviert wurde, sprach Rektor Leo Reinisch, ein Ägyptologe, von der „muthigen siegreichen Vorkämpferin um die Erweiterung der Frauen-rechte". 43 Jahre lang praktizierte Gabriele Possanner als Ärztin, die erste Frau in der Ärztekammer, die erste Frau mit dem Berufstitel „Medizinalrat". Sie starb 1940,80 Jahre alt.

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