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Zwingli-Tafel in Wien enthüllt

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L- Irich Zwingli / Reformator von Kirche und Gesellschaft / studierte 1498/99 und 1500 in Wien“ steht auf einer Gedenktafel zu lesen, die an der „Alten Burse“ in der Wiener Sonnenfelsgasse, neben der Jesuitenkirche, angebracht ist, und am 19. September von Wissenschaftsminister Busek im Beisein der Vertreter des Staates und der Stadt, von Wissenschaft, Kultur und der Kirchen „ihrer Bestimmung übergeben wurde“: nämlich an den großen Schweizer Reformator Zwingli zu erinnern, der mit seiner Forderung nach einer grundlegenden Reform von „Kirche und Gesellschaft“ gerade heutzutage die führenden Frauen und Männer in der Ökumene gleichermaßen in seinen Bann zieht wie die christlich engagierte Jugend in aller Welt.

Kein Reformator hat in so konsequenter Weise das heutige ökumenisch-missionarische Programm der Kirche vorweggenommen, die nur Kirche ist, wenn sie die Mauer zum öffentlichen Leben niederreißt und „Kirche für die Welt“ wird.

Zwingli hat einen Teil seiner Studienzeit in Wien verbracht: in der Hauptmatrikel der Universität Wien ist 1498/99 „Vdalricus Zwing- Ei de Glaris“ eingetragen. Diese Eintragung ist allerdings durchgestrichen und von anderer Hand das Wort „exclusus“ (= ausgeschlossen“) hinzugefugt. Genaueres dazu ist nicht bekannt.

Erwin Liebert, der sich mit

Zwinglis Wiener Aufenthalt wissenschaftlich beschäftigt hat, neigt dazu, in dem Vermerk „exclusus“ eine nachträgliche Eintragung der Gegenreformation zu sehen, mit dem Zweck: die Wiener Universität von der Schmach zu reinigen, einen der größten „Ketzer“ geformt zu haben. Als „Täter“ käme etwa der Wiener Bischof Johannes Faber in Frage, der bereits 1523 Zwinglis Gegner in der Zürcher Disputation gewesen ist.

Aber das „exclusus“ ist für Jahrhunderte geradezu zum bösen Omen geworden. Der Typus der Schweizer Reformation, dem in unserer Zeit die Hälfte aller Protestanten der Welt angehören, wurde verbannt und bekämpft und - Zwinglis Aufenthalt in Wien wurde vergessen. Erst durch das Vaticanum II wurde Zwingli in Österreich ökumenisch entdeckt.

Optische Konsequenz sollte auf Beschluß der Synode H. B. eine Zwingli-Gedenktafel sein. Und ein letztes Mal wurde der „Geist“ des „exclusus“ spürbar: Hat es doch mehr als zehn Jahre gedauert, bis diese Tafel den Irrgarten der neoka- kanischen Bürokratie passiert hat.

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