Ist „Nachhaltigkeit“ von gestern, Ingolfur Blühdorn?
Unser Lebensstil sei "unhaltbar" geworden, meint Ingolfur Blühdorn, Professor für soziale Nachhaltigkeit an der WU Wien. Ein Gespräch über „ökologische Unregierbarkeit“, das Ende der grünen Hegemonie, den reaktionären Gegenschlag zur Diversität und den Mut zum Aufbruch.
Unser Lebensstil sei "unhaltbar" geworden, meint Ingolfur Blühdorn, Professor für soziale Nachhaltigkeit an der WU Wien. Ein Gespräch über „ökologische Unregierbarkeit“, das Ende der grünen Hegemonie, den reaktionären Gegenschlag zur Diversität und den Mut zum Aufbruch.
„Wähl, als gäb’s ein Morgen“: So heißt es auf den grünen Plakaten zur Nationalratswahl. Doch es gibt gute Gründe, den Glauben an dieses Morgen längst verloren zu haben: Der Green Deal ist unter Druck, weltweit reüssieren Autoritäre. Auch Ingolfur Blühdorn, Leiter des Instituts für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuni Wien, zeichnet in seinem vielbeachteten Buch „Unhaltbarkeit“ ein düsteres Bild – und weist doch den „Weg in eine andere Moderne“.
DIE FURCHE: Herr Professor Blühdorn, was bedeutet „Nachhaltigkeit“?
Ingolfur Blühdorn: Im engeren Sinne ökologisch „nachhaltig“ ist all das, was von der Natur nicht mehr verbraucht als regeneriert werden kann. Wobei diese Beschreibung nicht sehr hilfreich ist. Denn erstens ist Nachhaltigkeit nicht mehr auf das Ökologische beschränkt, sondern man unterscheidet heute etwa ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit – ich selbst würde auch noch demokratische und kulturelle Nachhaltigkeit ergänzen.
Und zweitens spricht der Begriff „Nachhaltigkeit“ ökologische Fragen auf eine ganz bestimmte Art und Weise an. Er wurde an der Wende zu den 1990er Jahren eingeführt – als Nachfolger von weitgehend unpolitischen Begriffen wie „Natur-„ oder „Umweltschutz“ einerseits und öko-fundamentalistischen Ansätzen andererseits, die Ökologie und die kapitalistische Wachstumsökonomie als kategorisch unvereinbar betrachteten.
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