EU fordert von Ungarn Klarheit: Brisante Kritik an russischer Arbeitsmigration.
Ungarn erlaubt Russen und Belarussen ohne aufwendige Sicherheitskontrollen ins Land einzureisen. Werden auf die Art Spione in den Schengenraum eingeschleust?
Ungarn erlaubt Russen und Belarussen ohne aufwendige Sicherheitskontrollen ins Land einzureisen. Werden auf die Art Spione in den Schengenraum eingeschleust?
Die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, schickte im Sommer einen Brief an ihren ungarischen Amtskollegen Sándor Pintér. Darin drückte sie ihren Unmut darüber aus, dass die ungarische Regierung schon im Juli dieses Jahres Russland und Belarus auf die Liste derjenigen Länder gesetzt hat, deren Staatsangehörige in Ungarn die sogenannte „nationale Karte“ erhalten können. Russen und Belarussen können auf diesem Weg als „Gastarbeiter“ ins Land reisen; einer aufwändigen Sicherheitskontrolle müssen sie sich nicht unterziehen, ihre Familien können nachgeholt werden.
Die „nationale Karte“ kann zudem nach zwei Jahren ohne Probleme verlängert werden. In den EU-Hauptstädten sowie in der Kommission in Brüssel waren viele geschockt – Ungarn, so Diplomaten und Experten gleichermaßen, ermögliche nicht nur russischen Arbeitsmigranten, sondern auch Agenten, sich in der EU aufzuhalten. Die Arbeitserlaubnis gilt zwar lediglich für Ungarn, doch ist es im Schengenraum kein Problem, sich frei und ohne Kontrollen über Grenzen hinweg zu bewegen. So schrieb auch EU-Kommissarin Johansson, dass die „nationale Karte“ potenziellen russischen Spionen und Saboteuren einen einfachen EU-Zugang verleihe.
Brüssel kritisiert Ungarn: Sicherheitsbedenken und Spionagegefahr
Mitte August ging dann bei der Kommission ein Schreiben der baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland sowie der nordischen Länder Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island ein. Darin üben sie Kritik am Vorgehen der Ungarn und fordern die Kommission zum Handeln auf. Schließlich grenzen die baltischen Länder, Norwegen und Finnland an Russland. Zudem gelten seit Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine im Februar 2022 verschärfte Einreisebestimmungen für Russen in die EU, der europäische Luftraum für russische Maschinen ist geschlossen. Budapest, so die Wahrnehmung der übrigen EU-Mitglieder, unterminiert diese Maßnahmen.
Die Kommission hatte auch der ungarischen Regierung eine Frist gesetzt, um auf ihre Bedenken zu antworten: der 19. August. Diesen Tag hat Budapest erst mal ohne Reaktion verstreichen lassen. Nun kam mit einigen Tagen Verspätung doch noch eine Antwort von Innenminister Pintér. Der ungarische Europaminister János Bóka wiederum teilte diese auf X. In dem Schreiben wiegelt Pintér ab: „Ungarn legt weiterhin großen Wert auf den Schutz seiner nationalen Sicherheit und die Sicherheit des Schengenraums insgesamt.“ Davon, dass die Maßnahme zurückgenommen oder angepasst wird, ist indes nicht die Rede. Ungarn bleibt bei der Praktik, russische und belarussische Staatsangehörige ins Land zu lassen – und schadet damit dem Verhältnis zu den europäischen Partnerländern und Brüssel.
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