Eskalation in Nahost
DISKURSGetötete Hamas-Führer: Warum Israel eine Eskalation in Kauf nimmt
Nach Israels gezielter „Eliminierung“ der Spitzen von Hamas und Hisbollah herrscht nun banges Warten auf Vergeltung. Eine Analyse auf Basis eines Gesprächs mit einem Ex-Mossad-Offizier.
Nach Israels gezielter „Eliminierung“ der Spitzen von Hamas und Hisbollah herrscht nun banges Warten auf Vergeltung. Eine Analyse auf Basis eines Gesprächs mit einem Ex-Mossad-Offizier.
Im Nachhinein klingt es wie eine Prophezeiung. Mein Gespräch mit dem ehemals ranghohen Mossad-Offizier Rami Igra vor Kurzem in Tel Aviv geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Igra war beim Auslandsgeheimdienst der Leiter der Abteilung für gefangene und vermisste Personen. Wir trafen uns, um über die Chancen zu sprechen, die noch verbliebenen weit mehr als hundert israelischen Geiseln aus der Hamas-Hölle im Gaza-Streifen herauszuholen.
Aber rasch brachte Igra das Gespräch auf den Politchef der Terrororganisation, Ismail Hanija – der zu diesem Zeitpunkt noch am Leben war und sich von seinem Wohnsitz Katar aus frei in der arabischen Welt bis hin zur Türkei auf Reisen machte, um dort befreundete Machthaber zu treffen. Hanija war auch ein wichtiger Verhandler in Sachen Geiseldeal. Sinngemäß sagte der Mossad-Mann, Israel sei in der Lage, Hamas-Anführer wo immer auf der Welt zu eliminieren. Aber damit könne man diese nicht ängstigen, eher im Gegenteil. Nach der Logik der islamistischen Terroristen werden diese im Tod zu Märtyrern, zu Vorbildern für die nächste Generation. Am Nachwuchs mangle es also nicht.
Israels Härte als Lebensversicherung
An dieses Gespräch musste ich denken, als Mittwoch vergangener Woche die Nachricht von der Tötung Hanijas in Teheran kam. Erst kurz zuvor hatte Israel auch den ranghöchsten militärischen Befehlshaber der Schiitenmiliz Hisbollah, Fuad Schukr, in der Nähe von Beirut nach eigenen Angaben „ausgeschaltet“. Schukr soll auch für den tödlichen Raketenangriff auf die von Israel annektierten Golanhöhen verantwortlich sein, bei dem mindestens zwölf Kinder und Jugendliche getötet wurden. Ebenfalls in diesen Tagen hat Israel die Eliminierung von Hamas-Militärchef Mohammed Deif im Gaza-Streifen bekanntgeben. Zuletzt – aber sicher nicht als Letzten – traf es im Gaza-Streifen den Hamas-Wirtschaftsminister, Abed al-Sariei, der wohl auch für die Waffenbeschaffung zuständig war. Auch Hanijas mittlerweile bestimmter Nachfolger, Jahja Sinwar, berüchtigter Hamas-Führer in Gaza und Drahtzieher des 7. Oktober, soll nun „schnell eliminiert“ werden.
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