Hochwasser in Polen: Freiwillige Hilfe und Kritik an Tusks Regierung
Das Hochwasser in Polen mobilisiert tausende Freiwillige und stellt die Regierung von Donald Tusk vor große Herausforderungen. Gleichzeitig wird die Debatte über Klimawandel und politische Verantwortung lauter.
Das Hochwasser in Polen mobilisiert tausende Freiwillige und stellt die Regierung von Donald Tusk vor große Herausforderungen. Gleichzeitig wird die Debatte über Klimawandel und politische Verantwortung lauter.
Es sind Bilder der Hoffnung zwischen bedrückenden Szenen der Verwüstung: Aus ganz Polen reisen dieser Tage Freiwillige in den Süden und Südwesten des Landes, um ihren Landsleuten zu helfen. „Ich war nicht in der Lage, vor dem Fernseher zu sitzen“, sagt etwa Bartek Waliszewski in einem TV-Interview. Der Mann aus der 250 Kilometer nördlich vom Katastrophengebiet gelegenen Großstadt Posen ist mit einigen Bekannten in den Süden gereist. „Wir haben ein bisschen Geld gesammelt, haben 600 Liter Wasser gekauft und kamen hierher.“ Menschen wie ihn gibt es in Polen derzeit viele, landesweit wurden auch Dutzende Spendenkonten eingerichtet. „Im Prinzip könnte man sich darüber beschweren, dass wir als Gesellschaft nur bei großen Katastrophen zusammenhalten können“, schreibt Adam Michnik, Herausgeber der Tageszeitung Gazeta Wyborcza. „Aber genau das ist die Situation, mit der wir konfrontiert sind.“
Auch daher dringt politischer Streit rund um die Geschehnisse vorerst nur am Rande durch, denn das Hochwasser ist dieser Tage in Polen noch längst nicht abgeebbt. Doch die Folgeschäden, auch für die Regierung von Donald Tusk, dürften umso größer werden, je größer die Ausmaße des Hochwassers. Und die sind verheerend: Bis Mittwoch gab es bereits zehn Todesopfer. Die Regierung rief am vergangenen Montag in großen Teilen von drei der insgesamt 16 polnischen Wojewodschaften den Naturkatastrophenzustand aus, zunächst für 30 Tage. Das bedeutet, dass teilweise Bürgerrechte eingeschränkt werden können, staatliche Organe können etwa die Evakuierung anordnen.
Ruf nach EU-Solidaritätsfonds
Letzteres geschah etwa in Nysa (Neisse). In der Nähe der 45.000-Einwohner-Stadt hatte bereits am Sonntag ein Dammbruch den Fluss Glatzer Neiße, einen Zufluss der Oder, so stark ansteigen lassen, dass das Wasser in der Folge in Richtung Stadtzentrum strömte. Am Montag und Dienstag arbeiteten Tag und Nacht tausende Freiwillige, Feuerwehrleute und Soldaten daran, weitere Dammbrüche zu verhindern. Hart betroffen war auch die 25.000 Einwohner zählende Stadt Kłodzko (Glatz) und das kleinere Głuchołazy, wo Wassermassen zwei Brücken zerstörten. Viele kleinere Ortschaften waren oder sind komplett von der Außenwelt abgeschnitten, Bewohner mussten mit Militär-Hubschraubern evakuiert werden. Apokalyptisch muteten die Bilder aus der Kleinstadt Stronie Śląskie an, dort gab es bisher die meisten Todesopfer.
Doch das größte Augenmerk richtete sich zuletzt auf die größeren Städte der Region: vor allem das fast 700.000 Einwohner zählende Wrocław (Breslau). Dort wurden die Höchststände der Oder und anderer kleinerer Flüsse erst in der zweiten Wochenhälfte, Mittwoch und Donnerstag, erwartet. In Breslau und in anderen an der Oder gelegenen Städten und Gemeinden setzten Bewohner und die politisch Verantwortlichen die Hoffnung vor allem auf das 150 Kilometer südöstlich von Breslau gelegene Rückhaltebecken bei der Stadt Racibórz (Ratibor), unweit der tschechischen Grenze. Das 2020 fertig gebaute und erstmals mit dem Oder-Wasser befüllte Becken kann Wasser im Umfang von 185 Millionen Kubikmeter aufnehmen, so viel wie fast 200 große Fußballarenen.