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Rumänen im Exil

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Man muß die politischen Vorgänge in Rumänien während der letzten Dezennien verfolgt haben, um- die geistige Situation sowie die Gruppierungen der gegenwärtig im Exil lebenden Rumänen zu verstehen. Da war, vor genau 30 Jahren, der Thronverzicht Carols IL, des Sohnes und Nachfolgers Ferdinand von Hohen-zollern; vier Jahre später: die Entthronung des an Stelle seines Vaters eingesetzten Michai (und damit das wohl einzigartige Kuriosum in der Geschichte, daß auF den Sohn der Vater in der Herrschaft folgt). Es kamen dann, mit Ausbruch des Krieges, jene innen- und außenpolitischen Erschütterungen Rumäniens, die an dieser Stelle wiederholt dargestellt wurden und die schließlich zur Okkupation des Landes durch die Deutschen und dann zur Kapitulation vor den Russen führten. Von allen diesen Vorgängen, insbesondere von dem erbitterten Kampf des letzten, autoritären Regimes Carols II. gegen die „Eiserne Garde“ sind Wunden und Narben zurückgeblieben. Die demokratischen rumänischen Parteien, an denen man, so lange sie „regierten“ und sich mit einer gewissen Monotonie in der Verwaltung des Landes ablösten (Liberale und Bauernpartei), viel auszusetzen hatte, verteidigten sich zäh gegen die Gleichschaltung in den Jahren 1944/-45, und man kann nicht umhin, ihnen jenen Respekt zu zollen, der ihnen „bei Lebzeiten“ kaum zuteil wurde.

Beginnen wir mit ihnen. Ihre ehemaligen Mitglieder und heutigen Anhänger rekrutieren sich aus der National-Tsaranistischen Partei Juliu Manius, aus der Liberalen Partei der Brüder Bratianu und den Unabhängigen Sozialdemokraten. Sie sind im „Consilium der Politischeft Parteien“ zusammengefaßt und bilden das „Comitetul National Roman“, dessen maßgebliche Persönlichkeiten die Legitimität des — ebenfalls in der Emigration lebenden — jungen Königs Michai vertreten. Ideologisch gehören zu dieser Gruppe, ohne sich dem C. N. R. unterzuordnen, einige ehemalige Politiker, Staatsmänner und Intellektuelle, deren bedeutendste Persönlichkeit der, ehemalige Außenminister Grigore Gäfencu ist. Diese beiden Gruppen (die im „Comitetul National Roman“ organisierte und die „freie“) streben eine Wiederherstellung der alten Parteien an und stehen zu einem Mitglied des Königshauses, das während der Exiljahre allerdings wenig Interesse für die nationalrumänischen Sorgen gezeigt hat. Wie man weiß, enthält sich König Michai jeder politischen Tätigkeit.

Die zahlenmäßig stärkste und aktivste Gruppe ist die der ehemaligen Legionäre: betont national, mit einem umfassenden christlichen Sozialprogramm, erbitterte Gegner der „Koexistenz“; unter ihnen einige markante Intellektuelle, welche ihren Standpunkt in einem großen Teil der rumänischen Emigrantenpresse vertreten und in den kulturellen Institutionen der Rumänen im Exil tätig sind. Ein Großteil dieser Gruppe lebt in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, USA, Kanada und Argentinien.

Von ihnen hat sich die dritte, extreme Gruppe des ehemaligen Legionärführers H o r i a S i m a abgespaltet. Ihr publizistischer Wortführer ist Pamfil Seicaru im „Curierul Romänesc“; Anhänger des extremen Flügels, gibt es lediglich noch in Spanien, Brasilien und in Oesterreich.

In letzter Zeit wurden nun Versuche unternommen, die verschiedenen Gruppen zusammenzuschließen. Das ist zunächst in Deutschland gelungen, wo sich zwölf Emigrantenvereine und Emigranteninstitutionen in der „Union der rumänischen Vereine und Institutionen in Deutschland und West-Berlin“ organisiert haben. Man will hier, unter Hintanstellung der parteipolitischen und ideologischen Interessen, eine rumänische Kulturpolitik im Westen vertreten und allmählich die gesamte rumänische Emigration erfassen. Seit Beginn des Jahres 1955 ist in diesem Sinne auch der in Spanien lebende jüngere Bruder des jiingstverstorbenan Exkönigs Garol IL, Prinz Nikolaus, hervorgetreten. Das Organ dieser Einigungsbewegung, die in Madrid in rumänischer Sprache erscheinende Monatsschrift ,,F a p t a“ („Die Tat“), hat erfreuliches Niveau und wird von Mihail Fotin E n e s c u herausgegeben. Hier lesen wir über die künftige Staatsform Rumäniens das Folgende: Nicht diese Frage sei es, die in erster Linie die führenden Köpfe der Rumänen in, der Emigration zu beschäftigen habe, sondern eine andere, viel dringendere: Wann und wie Rumänien einmal wieder frei wird und was die Exilrumänen hierzu beitragen können. Da nun einmal die Frage: Monarchie oder Republik aufgeworfen ist, so könne sie nur theoretisch und mit aller Ruhe, ohne falsche Glorifizierung, aber auch ohne Verdächtigung der Andersdenkenden behandelt werden. Der Verfasser des Leitartikels „Spekulationen und Störversuche“ wendet sich gegen die Ausführungen des bereits zitierten Blattes von Horia Sima, in welchem die. Monarchie als die künftige Staatsform entschieden abgelehnt wurde und meint, die Republik sei durch das Regime Gheorghiu-Dej und Kischinewschi noch viel mehr diskreditiert. Die „Fapta“ schreibt:

„Für die Sicherung und Integrität des rumänischen Volkes und Bodens, für die bestmögliche Entwicklung des nationalen Potentials, bedarf ein künftiges freies Rumänien dringend derselben Majestät und Stabilität, eines Regimes, ausgestattet mit den höchsten Tugenden, um unsinnige Ambitionen zu entwaffnen, Parteiinteressen und Machthunger zu mäßigen, die Achtung vor der Individualität zu garantieren und die Zusammenarbeit der Eliten zu ermöglichen. Daher, ob wir es wollen oder nicht, ob es uns gefällt oder mißfällt: das künftige Rumänien braucht eine Monarchie. Keineswegs würde dies eine einfache Restauration der Monarchie bedeuten, sondern eine Regenerierung und Neustrukfiirierung; ein Volkskönigtum auf sozialer Basis, unter dem die Gesetzgeber geeignete Rechtswege finden werden, um die Thronfolge vor Degeneration zu bewahren.“

Die Legalität der Hohenzollern genüge nicht für eine Restauration, sondern nur, indem sich der künftige Herrscher als nützlich und seinem

Volk dienstbar und verbunden erweist, nur dadurch sei eine Rückkehr zur Monarchie wünschenswert und gerechtfertigt.

Nachdem bereits in den vergangenen Jahren rumänische Kulturtage in Mailand und Madrid stattgefunden hatten, versammelten sich einige hundert Exilrumänen, unter ihnen die intellektuelle und künstlerische Elite, im Mai dieses Jahres zu einer Rumänischen Woche in Freiburg im Breisgau. Anlaß war das orthodoxe Osterfest, der rumänische Nationalfeiertag, und das siebenjährige Jubiläum der von Prof. V. Mihailescu hier gegründeten und geleiteten, über 7000 Publikationen umfassenden Rumänischen Bibliothek. Eine Ausstellung zeigte Rumänische Volkskunst, Rumänien im Bild, Malerei und Musik aus Rumänien sowie das rumänische Buch und die rumänische Presse im Exil. Es gab Konzerte und Vorträge („Rumänien, Bollwerk des Westens“ von Professor Dr. A. Hertmann und „Mythos und Realität der balkanischen Existenz“ von Dr. St. Teodorescu). Ungewöhnlich lebhaft war die Beteiligung und der Besuch der Veranstaltungen durch Vertreter der Bundesrepublik, des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Freiburg, der deutschen Universitäten, namhafter kultureller Persönlichkeiten, Mitglieder des orthodoxen Klerus und Vertreter des Vatikans, der Angehörigen der Häuser Hohenzollern, Sachsen-Coburg und Sachsen-Weimar sowie zahlreicher prominenter Gäste aus Frankreich, Italien, Spanien und der Schweiz. Begreiflich, daß sich die Exilrumänen um das immer schon beliebte Mitglied des Königshauses. Prinz Nikolaus, und dessen Gemahlin scharten und daß das Interesse der Oeffentlichkeit vor allem diesen galt. In einer Ansprache sagte der Vorsitzende des Verbände der Exilrumänen, G. Racoveanu: „Eine Handvoll Menschen kann nicht in den Gang der großen Politik eingreifen, aber die gläubigen Christen Rumäniens wollen gegen das Böse und für die echte Freiheit kämpfen. Ohne sie ist der Friede in der Welt illusorisch.“ .

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