Demokratie - © Collage: R M (unter Verwendung von Bildern von iStock/spastonov, /sasar, /JacobH, /Luftklick, / Ralf Geithe, /Alfonso Sangiao und /D-Keine)

Warum Demokratie auf Geschlechtergerechtigkeit basiert

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Die faire politische Teilhabe und Repräsentation von Frauen ist unverzichtbar für jedes demokratische System. Ein Backlash kostet nicht nur Vertrauen, sondern auch Qualität und Kompetenz. Sechster Teil der FURCHE-Serie "Sommer der Demokratie".

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Die faire politische Teilhabe und Repräsentation von Frauen ist unverzichtbar für jedes demokratische System. Ein Backlash kostet nicht nur Vertrauen, sondern auch Qualität und Kompetenz. Sechster Teil der FURCHE-Serie "Sommer der Demokratie".

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Geschlechtergerechtigkeit ist für die Demokratie überlebensnotwendig. Die aufkommende Forschung zu Politik und Geschlecht belegt deutlich, dass die Erhaltung und Weiterentwicklung von Demokratie auf das engste mit der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen verknüpft ist. Die Rückschritte in Sachen Gleichstellung – der Backlash – erodiert auch Grundfesten der Demokratie.

Maßnahmen, die den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen versuchen, werden zwar oft als Einschränkungen des politischen Wettbewerbs dargestellt. Doch dort, wo Frauenrepräsentation am stärksten erhöht wurde, stieg auch die Kompetenz der männlichen Politiker – und somit das Kompetenzniveau generell. Ana Catalano Weeks und Lisa Baldez fanden 2014 heraus, dass in Parlamenten „Quotenfrauen“ meist über mehr Erfahrung in der Kommunalverwaltung verfügen als andere Abgeordnete und eine geringere Fehlzeitenquote haben als ihre männlichen Pendants. Nicht nur schränkt die Inklusion von Frauen den politischen Wettbewerb nicht ein, sondern sie verstärkt ihn – auf Kosten des „mittelmäßigen Mannes“, wie es in einer Studie von Timothy Besley und anderen heißt. Ohne Diskriminierung bzw. Exklusion von kompetenten Konkurrentinnen und Konkurrenten wird es für ihn immer schwerer, im Wettbewerb mitzuhalten.

Ängstliche Misogynie

Die aus Angst motivierten – misogynen – Reaktionen richten sich nicht „nur“ gegen Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch gegen die Demokratie selbst – als Form der „organisierten Unsicherheit“. Demokratie ist ein politisches System, das sich auf Volkssouveränität, den (friedlichen) Wechsel der politischen Macht, freie und faire Wahlen sowie auf Rechtsstaatlichkeit, den Schutz der Menschenrechte sowie auf politische Gleichheit stützt.

Die Innovation der Demokratie im Athen der Antike war, dass mehr Menschen als zuvor Zugang zu den Entscheidungen über das „wer, was, wann und wie“ bekamen (wie Harold Lasswell später Politik definieren würde). Statt einem Allein-Herrscher oder eine herrschende Gruppe trug die Gemeinschaft die Verantwortung für ihr Schicksal selbst. Die „Herrschaft des Volkes“ wurde durch einen Rahmen gewährleistet, welcher nicht nur der Minderheitsperspektive Gewicht gab, sondern auch der Gemeinschaft als Ganzes. Denn Demokratie wollte den bis dato marginalisierten Meinungen und Sichtweisen gleiche Chancen geben, geäußert sowie gehört zu werden. Im starken Gegensatz zu allen anderen politischen Systemen versprach die Demokratie – als Form der politischen Organisation – allen Mitgliedern des Demos (egal ob reich oder arm) gleiche politische Rechte, das gemeinsame Schicksal mitzuentscheiden. Um Verantwortung gemeinsam tragen zu können, mussten die Mitglieder der Gemeinschaft ihre Bürgerrechte üben; infolgedessen wurde ein Abstand vom politischen Leben als unwürdig erachtet.

Das ist es zumindest, was uns der Historiker Thukydides – durch die Lippen des Perikles in dessen Grabrede für die im ersten Jahr des Peloponnesischen Krieges gefallenen Athener (431–404 v. Chr.) – erzählt: Wer sich nicht an der Politik beteiligte, war nicht nur jemand, der sich um seine eigenen, privaten Angelegenheiten kümmerte – sondern jemand, der dort (in Athen) überhaupt nichts zu suchen hatte. Laut Perikles war derjenige, der an nichts teilnimmt, dessen nicht würdig.

Die Athener Demokratie des sechsten Jahrhunderts (v. Chr.) basierte auf einer strikten Trennung des öffentlichen und privaten Bereichs: ersterer von Männern und zweiterer von Frauen dominiert – der Beginn tief verwurzelter Vorurteile, wonach Frauen nur für spezifische Tätigkeiten kompetent und unpolitisch sind. Für viele Jahrhunderte würden Frauen nicht zum Demos zählen, bis „Neues erprobt und Herausforderungen unter Beteiligung vieler begegnet“ wurde.

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