1000-jähriger Wetterbericht

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Bei den Rauriser Wissenschaftstagen wurde das Alpenklima des letzten Jahrtausends diskutiert - ein Ergebnis: Es war vor 1000 Jahren schon einmal so warm und es wird noch wärmer werden. von wolfgang machreich

Auch wenn sich sonst in den letzten 1000 Jahren fast alles verändert hat, das Wetter in den Alpen ist heute wie damals gleich - genauer gesagt: Um das Jahr 1000 herum hat es in den Alpen eine warme Klimaphase gegeben, die der heutigen ähnlich ist, erklärt Reinhard Böhm von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Böhm und andere Klimaforscher verlegten letzte Woche ihren Arbeitsplatz von der Hohen Warte in Wien auf die Rauriser Heimalm, wo sie im Rahmen eigener Wissenschaftstage mit Klimakoryphäen aus ganz Europa die Ergebnisse des eu-Forschungsprojekts alp-imp präsentierten.

Qualität in die Klimadebatte

Ziel von alp-imp war es, das Alpenklima der letzten 1000 Jahre zu rekonstruieren und, wie Reinhard Böhm betont, "durch fundierte Daten Qualität in die Klimadebatte zu bringen". Die Abkürzung imp steht für die drei Säulen des Forschungsprojektes, die als Quellen zur Zusammenstellung des 1000-Jahre-Alpenklima-Puzzles dienten: instrumentelle Daten, computersimulierte Modelle und Proxys, das sind stellvertretende Klimazeugen wie Baumringe oder Eisbohrkerne von Alpengletschern, die Rückschlüsse auf Temperatur, Niederschlag und andere wichtige Klima-und Umweltgrößen zulassen.

Allein der Großraum Alpen, vom Rhonetal im Westen bis zur ungarischen Tiefebene im Osten und von der Cote d'Azur im Süden bis zum Böhmerwald im Norden, hat die für dieses Forschungsprojekt notwendigen Voraussetzungen: Weltweit einzigartig gibt es für den Alpenraum die am längsten zurückreichenden und dichtesten Aufzeichnungen über Klimadaten. Böhm: "Nirgendwo anders gibt es schon so lang, so viel und so hoch durchgeführte Klimaobservation." Mit "so hoch" verweist der Klimatologe auf die hochalpinen Wetterwarten, zum Beispiel das Sonnblick-Observatorium im Raurisertal, das seit 1886 täglich meteorologische Daten liefert.

Die Krux mit diesen Daten - aus mehreren Jahrhunderten und von über 200 Wetterstationen entlang des Alpenbogens - ist jedoch, dass sie sehr uneinheitlich sind. Ein Kübel zur Niederschlagsmessung auf einem Hausdach misst zum Beispiel 30 bis 40 Prozent weniger Regen als ein Gefäß zu ebener Erd - weil der Wind in luftiger Höhe den Regen verbläst. Verschiedene Typenmodelle zur Sonnenscheinmessung wiederum verkürzen oder verlängern die Sonnenscheindauer; auch liefern Messungen zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedliche Ergebnisse. Im Rahmen von alp-imp wurden diese unterschiedlichen Daten nun zu einem einheitlichen Datensatz harmonisiert. Weiters wurden alle Messfehler eliminiert, die Reihen homogenisiert und fehlende Daten ergänzt. Erst dadurch zeigen Klimazeitreihen das tatsächliche Klima und nicht etwa die Übersiedlung der Messstation Badgastein von der Schule zum höher gelegenen Talboden, die natürlich eine deutliche Abkühlung des Klimas ergeben hätte.

Das Alpenklima fasst Böhm in folgenden Perioden zusammen: Um das 1000 hat es eine warme Phase gegeben, ähnlich der heutigen. Daten für diese Zeit liefern vor allem Bäume, deren Holzdichte und Jahresringe Rückschlüsse auf Temperatur sowie feuchte oder trockene Perioden erlauben. Nach dem Jahr 1200 folgt ein Abkühlungsprozess, der im 16. Jahrhundert sowie um 1850 in kleinen Eiszeiten seinen Ausdruck findet, die wiederum zu großen Gletschervorstößen führen. Danach verzeichnet alp-imp einen Temperaturanstieg um rund zwei Grad Celsius von 1850 bis heute.

Mehr Regen im Nordwesten

Während aber bei der Temperatur ein recht einheitlicher Anstieg an allen untersuchten Stellen feststellbar ist, gibt es bei anderen Parametern sehr große regionale Unterschiede: "Die Erwärmung nimmt zu. Das gilt für Wien ebenso wie für den Sonnblick oder Marseille", sagt Böhm. Anders schaut es beim Niederschlag aus: "Zwischen 1860 und heute ist der Niederschlag im Südwesten des Alpenbogens um rund 15 Prozent zurückgegangen, im Nordwesten hingegen hat er um 15 Prozent zugenommen", berichtet Böhm und fügt hinzu: "Das ist sehr viel!"

Warm ohne Sonnenschein

Und noch auf ein weiteres sehr aufschlussreiches Detail aus den alp-imp-Ergebnissen macht Böhm aufmerksam: Während die Ergebnisse der Messungen von Sonnenscheindauer und Temperatur über Jahrhunderte hinweg parallel verlaufen, hat sich die Temperatur in den letzten 20 Jahren vom Sonnenschein abgekoppelt - will heißen: Auch ohne mehr Sonnenschein wird es wärmer.

Die Behauptung, dass Extremwerte beim Klima generell zunehmen, ist für Böhm jedoch Unsinn: "Das Klima ist viel komplizierter" - und die Details der Wetter-und Klimaentwicklung sind regional sehr unterschiedlich. Doch soviel steht für den Klimatologen fest: Bis 1950 war der Anstieg der Temperaturen eine natürliche Entwicklung, seither macht sich auch der durch den Menschen verursachte Treibhauseffekt bemerkbar - und ein Kollege von Böhm fügt bei den Rauriser Wissenschaftstagen hinzu: "Was wir beim Klima jetzt erleben, ist alles außerhalb dessen, was bisher gewesen ist."

Weitere Informationen unter: http://www.zamg.ac.at/alp-imp/

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