20 Jahre Flaute - trotzdem überreich

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Das fundamentale Problem der Ratingagenturen ist nicht, dass sie per se vom Bösen gelenkt würden. Sie haben bloß eine auch im Rest der Finanzwirtschaft tödlich oft anzutreffende Eigenschaft. Sie verursachen mit ihren Bewertungen nicht eine Korrektur der bestehenden Verhältnisse sondern eine Verstärkung des Trends. Indem sie durch Herabstufung einen Staat zur budgetären Umkehr aufrufen, machen sie die Lage noch schlimmer, wie derzeit an Europa sichtbar wird. Wären die Europäer nicht schon derart in der Sackgasse ohne Umkehrmöglichkeit, sie könnten sich Japan zum Vorbild nehmen. Denn das Land scheint sich von derlei Negativbeschleunigern befreit zu haben. Die Agentur Standard and Poors setzte beispielsweise, sozusagen als Zusatzgeschenk zum Katastrophenfrühjahr 2011 die Bonität japanischer Anleihen auf Stufe AA- herab.

Danach geschah: Im Wesentlichen nichts. Keine Hysterie, keine Panikverkäufe, Wertverluste oder erhöhte Risikoaufschläge. Das ist in einem Land mit einem Gesamtstaatsdefizit von 199 Prozent und zu erwartenden Katastrophenkosten von 400 Milliarden Euro (acht Prozent Neuverschuldung des Staates bis zum Jahr 2014) erstaunlich.

Japanische Resilienz

Grund für die Ruhe scheint zu sein, dass die Besitzer japanischer Anleihen zu mehr als 80 Prozent japanische Bürger und Institutionen sind. Spekulationen gegen das eigene Gemeinwesen dürften in Japan offensichtlich mit einer hohen Hemmschwelle verbunden sein.

Aber nicht nur punktuell ist die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt eine Ausnahmeerscheinung von den restlichen Trends des Globus. Geht es nach den bloßen Wachstumszahlen steckt das Land ja seit 20 Jahren in einer Stagnation. Dennoch macht es, verglichen mit der Konkurrenz in Europa und den USA, eine erstaunlich gute Figur. Nach 20 Jahren Krise verzeichnet Japan eine Arbeitslosigkeit von vier Prozent. Das ist gut die Hälfte des europäischen Schnitts. Nach Berechnungen des Economist liegt das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes trotz Stagnation in den vergangene Jahren höher als jenes der Eurozone und Amerikas - und zwar nicht erst seit dem Crash 2008, sondern kontinuierlich seit 2001.

Seine Währungsreserven überschreiten 680 Milliarden Euro und werden derzeit nur noch durch China übertroffen. Als Kreditgeber ist Japan überhaupt einsame Weltspitze: Es hat Auslandsinvestitionen von 3,3 Billionen Dollar. Was das Land unter den Industrienationen besonders hervorstechen lässt, ist aber seine Steuerbelastung. Sie liegt zwischen 17 und 25 Prozent. Das ist eine der niedrigsten Belastungsraten unter den 34 OECD-Mitgliedsländern.

Das einzig wirklich schwerwiegende Problem der Wirtschaftsnation Japan scheint seine demografische Überalterung zu sein. In den vergangenen zehn Jahren verdoppelten sich die Sozialausgaben, während die Steuereinnahmen sanken. (tan)

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