Abendland und eurasisches Problem
Europa und seine Lage an einer Zeitenwende.
Europa und seine Lage an einer Zeitenwende.
In einer Epoche der Katastrophen und Angstpsychosen, einer Neuordnungs- und Umstellungskrise von kontinentalem Ausmaß und weltgeschichtlicher Bedeutung, ist die Besinnung auf die Fundamente und die Möglichkeiten des weiteren Weges lebensnotwendig. Rene Grousset, der bedeutende französische Orientalist, stellt in seiner universalgeschichtlichen Synthese: Bilan de l'Histoire*, fest: „Die Einnahme Berlins durch die Armeen Žukovs eröffnet eine neue Phase der europäischen Geschichte, den Triumph der panrussischen Idee, gleichzeitig den Triumph des Panslawismus.“ Ferner im gleichen Buche an anderer Stelle: „Das Ende des zweiten Weltkrieges bedeutet den Aufstieg einer großen asiatischen Macht von 400 Millionen.“ Wir können hinzufügen: und ihre machtmäßige Festsetzung im Herzen des abendländischen europäischen Bereiches.
Und E. L. Woodward, Professor für internationale Beziehungen der Oxforder Universität, weist in einem Artikel „Seven great challenges to peace“** nach der Darlegung der politischen und sozialen Ergebnisse des ersten und zweiten Weltkrieges für die europäische Ordnung und das europäische Sein auf das neue Verhältnis von Slawen und Germanen hin, spricht von einer „Slavic risurgence“, einer Auferstehung des Slawentums: „Nach einem tausendjährigen Kampf um Boden und Macht in Mitteleuropa, nach einem 700jährigen Vordringen der Deutschen, ist jetzt die „tide“, die Ebbe-Flut-Bewegung in Gegenrichtung, also von Osten nach Westen, eingetreten. Die Angloamerikaner müssen diese Tatsache des Vorrückens der Slawen akzeptieren, diese Tatsache von weltgeschichtlicher Bedeutung so zur Kenntnis nehmen wie die seinerzeitige Kräfteverschiebung zugunsten der ozeanischen Staaten (Portugal, England, Holland) im 16. und 17. Jahrhundert, zugunsten der Staaten mit Kolonialbesitz im 18. Jahrhundert, zugunsten der Industriestaaten im 19. Jahrhundert. .. Das Vorrücken der Slawen, gedeckt durch Rußland, ist kein Grund für einen Konflikt Großbritanniens mit Rußland, außer es müßten die britischen Interessen in Griechenland oder Norwegen verteidigt werden.“
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