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Ärzte—Kasse: ein erster Schritt
Durch die bereits längst erwartete Initiative der Bundesregierung, die zum Ziele hat, die Vertreter der Wiener Ärzteschaft und der Gebietskrankenkasse endlich an den Verhandlungstisch zu bringen, ist der Konflikt der Ärzte mit der Kasse nach den dramatischen Vorgängen der letzten Tage in ein neues Stadium getreten. Es wäre trotzdem noch verfrüht, ein baldiges Ende des Konfliktes vorauszusagen, um so mehr, da im Hintergrund der gegenwärtigen Auseinandersetzungen seit langem schwelende Probleme der Sozialversicherung in Österreich stehen, die man nur in einer günstigeren politischen Atmosphäre als der gegenwärtigen lösen könnte. Mit dem hier folgenden Beitrag aus der Feder des langjährigen Präsidenten der Ärztekammer Vorarlberg soll die Diskussion über eine umfassende Reform der Krankenversicherung weitergeführt werden. „Die Furche“
Wenn man selber schon mehr als 39 Jahre als Kassenarzt tätig ist und vollen Einblick in die ganze Entwicklung der Krankenversicherung und in das Verhältnis derselben zur Ärzteschaft hat, so macht man sich vielleicht mit einiger Berechtigung Gedanken darüber, worum es sich denn eigentlich bei der gegenwärtigen Auseinandersetzung zwischen der Wiener Ärzteschaft und der Gebietskrankenkasse handelt.
Die Kardinalfrage besteht wohl darin, ob es in unserem Staate weiterhin so sein soll, daß die Durchführung eines vom Parlament in feierlicher Sitzung beschlossenen Gesetzes von den Vertragspartnern durch entsprechende Vereinbarungen recht fraglicher Natur umgangen werden kann und der Arzt, der sich weigern sollte, weiterhin zu einem gesetzwidrigen Vertrag zu stehen, von seinen eigenen Berufsgenossen zwangsmäßig brotlos gemacht werden kann und daß sich auch das Parlament als Kollektivorgan und höchste Instanz des Volkes in keiner Weise bemüht, seine ganze Autorität für die Durchführung des Gesetzes einzusetzen, oder aber bei Undurchführbarkeit desselben, aus welchen Gründen immer, nicht die Initiative für eine Novellierung des Gesetzes ergreift. Die Ärzte denken dabei zwangsmäßig an jene anderen Berufs- und Standesgruppen, denen gegenüber zwecks Erfüllung der Forderungen eigens Gesetze gemacht wurden, während sie nach fast sieben Jahren noch vergebens auf die Durchführung des Gesetzes warten müssen. Diese erste Frage rührt also mittelbar an die Grundvoraussetzungen des Rechtsstaates und schafft bis zu einem gewissen Grad Bürger zweiter Klasse in rechtlicher Hinsicht, untergräbt somit das Rechtsbewußtsein des einzelnen Arztes.
Eine andere Frage ist allerdings die. ob die Durchführung des § 324 (2) des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) vom Jahre 1955, der die Einführung der Honorierung der Ärzteschaft nach Einzelleistung bei den Gebiets- und Landwirtschafts-krankenkassen regelt, derzeit überhaupt möglich erscheint, wenn man den realpolitischen Möglichkeiten der Gegenwart Rechnung trägt. Diese Frage ist nur dann positiv zu beantworten, wenn entweder der Staat recht wesentliche Mittel für die Krankenversicherung zur Verfügung stellt oder derselben bisher außerhalb ihres eigentlichen Rahmens auferlegte Aufgaben abnimmt (Stillgeld und Entbindungsbeitrag) oder aber wenn auch für diese Kassen auch unter gewissen Ausnahmen für die Arzthilfe ein ähnlicher Selbstbehalt eingeführt wird, wie das bei der Krankenkasse der Bundesangestellten und der Eisenbahn schon der Fall ist.
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