Afghanische Lektionen für Mali

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Gewaltbereiter Islamismus lässt sich nicht nur mit Militär besiegen. Paris und die EU müssen sich um eine politische Lösung in Mali bemühen, so die NZZ.

Die französische Intervention in Mali ist militärisch-taktisch ein Erfolg, politisch-strategisch bedeutet sie jedoch eine Niederlage. Aus dem seit über zehn Jahren andauernden Feldzug in Afghanistan haben die Nato-Staaten die Lehre gezogen, so bald keine Landkriege mehr zur Terrorbekämpfung zu führen. Wer solche Einsätze künftig in Erwägung ziehe, solle sich psychiatrisch untersuchen lassen, lautete das harsche Fazit des früheren amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates. Stattdessen hoffte man, regionale Verbündete zu finden, die für die Nato und die EU die Kastanien aus dem Feuer holen. Auch auf Mali sollte dieses Rezept angewendet werden, um zu verhindern, dass das im Norden des Landes wuchernde Krebsgeschwür des gewaltbereiten Islamismus Metastasen in Frankreich und anderen europäischen Ländern bildet. Die EU beschloss, keine eigenen Kampfverbände zu schicken, sondern die Afrikanische Union bei der Aufstellung einer Streitmacht zu unterstützen. Der französische Militärschlag kommt dem Eingeständnis gleich, dass dieses Konzept wenigstens in Mali gescheitert ist.

Nur durch den notfallmässigen Einsatz von Flugzeugen und Bodentruppen konnte Paris den Vormarsch der Rebellen vorläufig stoppen. Offenkundig rechnete Frankreich mit der Möglichkeit, dass andernfalls die Regierung in Bamako gestürzt würde.

Unstimmige Zeitpläne

Diese Eile steht in scharfem Gegensatz zum behäbigen Zeitplan der Afrikanischen Union. Deren Regionalorganisation Ecowas wollte sich ursprünglich bis zum Spätsommer Zeit lassen, um Truppen in Mali zu stationieren. Jetzt aber geht alles viel schneller, die Mission soll zudem grösser werden. Wollte die Ecowas zunächst nur 3000 Mann aus Nigeria, Niger und Burkina Faso schicken, haben nun auch andere Nachbarländer ihre Bereitschaft zum Mittun signalisiert. Doch sollte man die Schlagkraft dieser zusammengewürfelten Streitmacht nicht überschätzen. Kein westafrikanisches Land verfügt über kampferprobte Truppen. Bisher haben die Geldgeber der Afrikanischen Union - unter anderem die EU - mehr Begeisterung für gemeinsame Militäreinheiten gezeigt als die betroffenen Länder selbst.

Eine unbequeme Wahrheit

Die westlichen Sponsoren trösteten sich bisher mit dem Gedanken, dass in Somalia Koalitionstruppen mit einem Mandat der Afrikanischen Union die Islamisten zurückgeschlagen haben. Dort aber kamen äthiopische Einheiten zum Einsatz, die ihre Feuertaufe im Eritrea-Krieg bestanden hatten und überdies auf US-Unterstützung zählen konnten. Etwas Vergleichbares gibt es in Westafrika nicht.

Die unbequeme Wahrheit lautet, dass auch in der Ära nach Afghanistan westliche Militärinterventionen mit Bodentruppen erforderlich sein können, will man greifbare Resultate erzielen. Der französische Vorstoss hat sein operatives Ziel erfüllt, mehr nicht. Eine politische Lösung liegt in weiter Ferne. Der malische Partner, die Übergangsregierung in Bamako, ist schwach, desgleichen die Armee.

Das seit Monaten in der EU diskutierte Vorhaben, mit 200 Instruktoren die einheimischen Soldaten auszubilden, ist da nicht mehr als ein Placebo. Es zeigt, dass man in Europa bisher wenig Gedanken auf Mali verschwendet hat - trotz den Beteuerungen, man müsse ein Übergreifen des Islamismus über das Mittelmeer verhindern. Frankreich muss nun zeigen, dass es mehr kann, als Streitkräfte zu schicken. Die anderen EU-Staaten, allen voran Grossbritannien und Deutschland, sollten Paris dabei nicht alleine lassen.

* Aus Neue Zürcher Zeitung, 16. Jänner 2013

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