Allein und grau in der Mitte

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Schwere Wahlniederlagen lassen bei der SPÖ Alarmglocken schrillen. Reformen müssen her. Doch mit dem Ausländerthema wird die Partei nicht reüssieren.

Anton Stacherl ist nicht irgendjemand in der Geschichte der Sozialdemokratie Österreichs. Er ist so etwas wie der erste Vermarkter Sozialdemokratischer Ideen. 1886 übernahm Stacherl die sozialistische Ortsgruppe im Ort Hainfeld. Er berichtet vom kometenhaften Aufstieg der Bewegung: „Hier war ein ‚Arbeitergewerbeverein‘, der, als ich kam, ganze zwanzig Mitglieder hatte. Ein Sechserlverein, der nicht recht vorwärts wollte. Vierzehn Sänger waren dabei. Nur durch ihre Unterhaltungsabende wurde der Verein erhalten. Ich habe gleich große Plakate drucken lassen, worin wir der Bevölkerung mitgeteilt haben, daß der Verein verschiedene Unterrichte erteilt –auch Tanzen – und daß er Vorträge veranstaltet. Wir haben die Eltern aufgefordert, die jungen Burschen zu uns zu schicken. Das war gut. Wir sind nun rasch hinaufgewachsen auf sechzig bis siebzig Mitglieder und an Sonntagen sind wir ausgeflogen, bald dahin, bald dorthin, so ist die Bewegung rasch aufgeblüht.“ So war das in Hainfeld, wo die Sozialdemokraten 1888 unter Führung von Victor Adler ihre Partei gründeten und ihren Aufstieg begannen.

Sklerose statt Aufstieg

130 Jahre später haben sich die Rahmenbedingungen drastisch geändert. Der Aufstieg, den Stacherl glühend schildert, ist einem langsamen Prozess der Sklerose gewichen. Er betrifft die Partei, ihre Klientel und die Grundlagen der politischen Bewegung. Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich verlor die Partei ein Drittel der Wähler, in Vorarlberg gleich die Hälfte. Der Ruf nach neuen Inhalten hallt durch Partei und Medien. Die sich daraus erhebende Frage: Wofür sollen Sozialdemokraten in Zukunft stehen?

Dass eine schärfere Ausländerpolitik nötig sei, unken die einen, obwohl fest steht, dass in Oberösterreich damit keine Stimmen zu holen waren. Auch die Forderung nach einer „Reichensteuer“ erwies sich als Fehlschlag. Wohl auch aus reinem Ideen-Notstand entstand am Montag das neue, äußerst vage Motto: „Profil schärfen“ – was allenfalls eine Kursänderung verheißt. Nach links? Nach rechts? Wer weiß. Zerrieben zwischen Regierungsrealität und Klassenkampf-Phantasien, die Wähler zunehmend an die FPÖ verlierend, gibt es dazu keine erhellende Antworten. Nur abseits des Parteimainstreams zeigen sich Ansätze einer Neudefinition der SPÖ-Strategien. Der SPÖ-Historiker Wolfgang Maderthaner vom Verein für die Geschichte der Arbeiterbewegung sagt, man habe sich ohne Not von guten Traditionen entfernt: „Die Sozialdemokratie hat sich dem Thatcher-Liberalismus angenähert und die Logik des Marktes an die Stelle der Logik der Politik gesetzt.“ Dabei sei auch die soziale Kompetenz verloren gegangen. Fatal wirkt sich laut Maderthaner vor allem die Auflösung der massenpädagogischen Einrichtungen der SPÖ aus, die den Menschen von Jugend an das Ideal eines durch Arbeit gesicherten Lebens und sozialen Frieden vermittelt haben – auch wenn die Realität von diesem Zustand weit entfernt war.

Vergreisende Partei

Tatsächlich gibt es jene Generation noch, die bei den Naturfreunden, dem ASKÖ, den Roten Falken und sozialdemokratischen Arbeiterbildungsvereinen ein entsprechend gefärbtes Lebensbild vermittelt bekam. Aber sie vergreist zusehends. In Oberösterreich stammten über 40 Prozent der SPÖ-Wähler aus der Altersgruppe über 60 Jahre. Dass es diese treuen SPÖ-Wähler noch gibt, zeigt den nachhaltigen Erfolg des ab den 80er Jahren immer weiter zurückgedrängten SP-Bildungs- und Solidaritätssystems. Demgegenüber verfügt die ÖVP über ein natürlich funktionierendes Netz der konservativen sozialen Prägung und Tradition, das – ein nicht zu unterschätzender Unterschied zur SPÖ – auch ohne Parteiunterstützung funktionieren würde. Die Folge: Die ÖVP verzeichnet bei Jungwählern weiterhin Zuwachsraten, während die potenziellen SPÖ-Jungwähler in Scharen zu den Freiheitlichen überlaufen. „Wenn es so bleibt, wie es ist, bleibt nichts mehr übrig“, sagt der Vorsitzende der Jungen Generation, Stefan Moitzi. Nur noch 12 Prozent der Wähler unter 30 fanden die SPÖ in Oberösterreich der Wahl wert. Dagegen wählten 41 Prozent der selben Gruppe die ÖVP.

Was also tun für die Jugend gegen die Dominanz der ÖVP, gegen die wahrgenommene oder tatsächliche Inhaltsleere, gegen die zunehmende Individualisierung, die der Kollektivpartei SPÖ Wähler und Glaubwürdigkeit nimmt?

Eine Vision für die Zukunft sei gefragt, meint Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger. Alois Stacherl würde da wohl zustimmen und eifrig verlesen, was sie damals in Hainfeld beschlossen haben: „Die Sozialdemokratie erstrebt für das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, Rasse und Geschlecht die Befreiung aus der ökonomischen Abhängigkeit, und die Erhebung aus der geistigen Verkümmerung.“

Letzteres wäre vielleicht ein Ansatzpunkt – bei allfälliger innerparteilicher Selbstdiagnose.

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