Alles beim Uralten"

Werbung
Werbung
Werbung

Brigid Weinzinger (Grüne) und ihre ÖVP-Kollegin Astrid Stadler finden keinen gemeinsamen Nenner, wenn es um das Kindergeld Neu und Familienbild geht.

Die Furche: Die Novelle des Kindergeldes wurde im Parlament abgesegnet. Ist das nun der große Wurf oder bleibt alles beim Alten?

Brigid Weinzinger: Das würde ich sofort korrigieren und sagen: Alles beim Uralten! Das Hauptproblem ist, dass wir inzwischen ein verkorkstes Modell haben. Wenn ich mir die monatelange Diskussion über die Zuverdienstgrenze anschaue und wie kompliziert das noch immer geregelt ist - kein normalsterblicher Mensch blickt da leicht durch, und es wird noch komplizierter. Gestehen wir uns ein, dass es so nicht funktioniert. Es entspricht auch nicht mehr der Lebensrealität der Menschen. Es ist immer noch einem Familienbild verpflichtet, wo zu oberst der Vater mit seinen Erwerbsbedürfnissen steht, dann kommt mal länger nichts, dann kommt hoffentlich das Kindeswohl und dann kommen irgendwann die Interessen der Frau.

Astrid Stadler: Die Novelle ist eine Verbesserung der Wahlfreiheit. Es gibt verschiedene Bezugsvarianten, den unterschiedlichen Bedürfnissen der jungen Familien entsprechend. Das Kindeswohl im Auge haben: Da bin ich absolut dafür! Kindeswohl heißt nicht Wirtschaftlichkeit. Es heißt, dass ich da ein Kind habe, das am liebsten von den Eltern betreut wird. Es ist aber ein Faktum, dass sich die Väter nicht um die Betreuung reißen, was ich auch bedauere, aber es ist im Moment so. Es sind in etwa fünf Prozent, die es tatsächlich umsetzen und nochmals fünf Prozent, die es vielleicht tun wollen. Der Ansatz, dass sich Väter schwerer tun, in Karenz zu gehen, stimmt nicht. Wenn beide arbeiten, dann tun sich beide gleich schwer.

Weinzinger: Haben Sie schon etwas von Einkommensunterschieden gehört?

Stadler: Natürlich. Ich habe in meinen Sprechstunden in Tirol viele junge Familien. Was wollen diese? Das Kinderbetreuungsgeld ist eine Förderung für junge Eltern, damit sie die Chance haben selbst zu betreuen. Das ist auch um einiges höher als früher mit dem alten Karenzgeldmodell. Als ich in Karenz war, bezog ich ein Jahr Karenzgeld, dann bin ich zuhause geblieben. Ich wollte nicht, dass ein einjähriges Kind ganztags zu einer Tagesmutter muss.

Die Furche: Hätten Sie heute nochmals die Wahl, welche der drei Varianten würden Sie denn wählen?

Stadler: Das hängt vom Beruf ab, von den Möglichkeiten der Kinderbetreuung, im ländlichen Bereich haben wir weniger Angebote als im Ballungsraum. Darum gibt es ja jetzt die Offensive des Bundes gemeinsam mit den Ländern, um die Gemeinden bei der Errichtung von Kinderbetreuungsplätzen zu unterstützen.

Die Furche: Ist angesichts des Status quo der Betreuungssituation eigentlich die kürzeste Variante nicht eine Alibi-Variante, zumindest in ländlichen Regionen?

Stadler: Es gibt sicher Frauen, die sich sagen, ich möchte keine lange Pause in meinem Beruf machen. Das neue Kindergeld muss man erst einmal laufen lassen, dann wird man sehen, wieviele die neuen Varianten annehmen.

Weinzinger: Es stimmt überhaupt nicht, dass sich beide Eltern gleich leicht tun, zuhause zu bleiben. Die Zuverdienstgrenze ist lachhaft gering. Ich weiß, dass es ganz wenige Arbeitsplätze gibt, wo Frauen einen Job zu zwölf Stunden kriegen. Ich kenne keinen Mann, der zu diesen Bedingungen einen Job gefunden hat. Unser Ziel ist es, Partnerschaftlichkeit lebbar zu machen. Beide Eltern sollen gleich gute Möglichkeiten haben, Kinderbetreuungsphasen zu übernehmen. Und das geht nur durch ein erwerbsabhängiges Modell. Unser weiteres Ziel ist es, dass es für Frauen nicht zum Bumerang wird, wenn sie eine Zeit lang Kinderbetreuung übernehmen und danach keinen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt finden. Und das ist das Problem mit dem Kindergeld! Minister Martin Bartenstein hat im Parlament sogar einmal gesagt: Wenn die Frauen länger zuhause sind, entlasten sie den Arbeitsmarkt.

Die Furche: Das grüne Modell scheint auch kompliziert. Und ist es nicht ungerecht, dass vom Prinzip "Jedes Kind ist gleich viel wert" abgerückt wird?

Weinzinger: Unser Modell sieht vor, dass Eltern eine Geldleistung für den Verdienstentgang bekommen, den sie in der Kinderbetreuungsphase haben. Ich habe die gleiche Ungerechtigkeit durch das gesamte gesellschaftliche Leben, dadurch, dass Menschen mehr als andere verdienen. Da würde ich mit ganz anderen Instrumenten für mehr sozialen Ausgleich sorgen.

Stadler: Ich finde es grauenhaft, wenn Kinder haben nur materiell aufgerechnet wird.

Weinzinger: Das ist ziemlich untergriffig, wir reden über ein Karenz-Modell …

Stadler: Kinder sind ein Geschenk des Lebens, wo man naturgemäß auf manches verzichten muss und auch will. Es ist aber ein Bedürfnis einer Mutter, Kinder selbst zu betreuen. Es gibt so viele Frauen, die sagen mir, ich genieße es so, dass ich mein Kind selbst betreuen kann.

Weinzinger: Es gibt genauso viele Väter, die das Bedürfnis haben, zu Hause zu bleiben. Und es gibt das Bedürfnis vieler Väter und Mütter, dann wieder arbeiten zu gehen.

Die Furche: Warum bleibt die so viel kritisierte Zuverdienstgrenze?

Stadler: Das ist generell bei Förderungen so, dass es eine Grenze gibt. Sie ist nicht lachhaft gering, wie Sie sagen. Es sind ja nicht alle Frauen Akademikerinnen. Es gibt auch Frauen, etwa im Handel oder in Schichtbetrieben, die nicht so viel verdienen.

Weinzinger: Diese Frauen haben die größten Probleme mit der Zuverdienstgrenze. Gerade in niedrig bezahlten Jobs ist die Flexibilität der Arbeitgeber oft die geringste.

Stadler: Das Kinderbetreuungsgeld Neu ist der große Wurf. Es wird natürlich immer welche geben, die nicht hineinpassen. Ich habe mit vielen Frauen gesprochen, die gut ausgebildet sind und zur Zeit weniger verdienen. Diese sagen mir: meine Familie ist vorrangig. Das ist nicht untergriffig, wenn ich die Emotionen von Menschen, die Kinder haben, anspreche. Ich möchte die Väter nicht zurückstellen, aber einer Mutter ist es nicht egal, wo ihre Kinder betreut werden.

Weinzinger: Wir kommen aus dieser Ebene nicht heraus, das habe ich nie behauptet. Sie empören sich völlig umsonst, sie bekämpfen Windmühlen.

Stadler: Sagen wir nicht permanent, wir Frauen sind benachteiligt, weil wir Kinder haben.

Das Gespräch moderierte Regine Bogensberger.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung