Alles wartet auf das erlösende Wort von Heinz Fischer

Werbung
Werbung
Werbung

Noch hat Bundespräsident Heinz Fischer nicht erklärt, ob er für eine zweite Periode kandidiert. Doch seine Antwort entscheidet über politische Karrieren und Kräfteverhältnisse.

Heinz Fischer, Bundespräsident, ist im Gespräch meistens charmant, aber nie kokett. Auch dann nicht, wenn er sich im FURCHE-Interview das Schmunzeln verkneifen muss, um wiederholt ernst und sachlich festzustellen, die Frage nach der Kandidatur für eine zweite Amtsperiode in der Hofburg erst später beantworten zu wollen. Das öffentliche, politische und journalistische Interesse scheint ihn zu freuen, aber dem Drängen auf Antwort will er nicht nachgeben. Und er versucht den Eindruck zu vermeiden, sich mit dem Ja-Wort zu zieren, nur um weitere Bitten nach Wiederkandidatur zu sammeln.

Zu Ende ist seine erste Amtsperiode in gut einem Jahr, spätestens am 8. Juli 2010 ist der nächste Bundespräsident anzugeloben, daher fällt die Wahl wahrscheinlich in den April 2010. Vorher ist Wahlkampf, und damit stellt sich die Frage: Wer tritt an? Wie viele Kandidaten wird es geben? Kommt es zu einer Stichwahl? Und diese Fragen treten jetzt auf, weil ein neuer möglicher Kandidat politischen Druck erzeugt: Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich.

Strategischer Aufbau für Kampagne?

Manches Vorkommnis ist sicher ein Zufall. So auch folgendes: Am Montag, dem 9. März, wurde in Wien das „Jahrbuch für Politik 2008“ präsentiert, und zwar im Palais Niederösterreich. Die abendliche Debatte der Politiker und Politik-Beobachter wurde klar von Pröll dominiert. Nicht zuletzt, weil sich im Jahrbuch eine Analyse zur NÖ-Landtagswahl 2008 befand, verfasst von Thomas Hofer, betitelt mit: „Ein Hauch von Obama – Landtagswahlen in Niederösterreich“. Diese hatte Pröll (ÖVP) mit einem Stimmenanteil von 54,4 Prozent gewonnen und damit die von ihm zurückgewonnene absolute Mehrheit ausgebaut, die Konkurrenz deklassiert. Am selben Tag, 9. März, titelte die Tageszeitung Der Standard über dem auf einer Umfrage beruhenden Innenpolitik-Aufmacher: „Erwin Pröll wäre ernster Konkurrent für Heinz Fischer“. So ein Zufall.

Seit diesem 9. März, dem Tag, der Erwin Pröll gehört, wird von Beobachtern mit seiner Kandidatur gerechnet, ohne sich dabei auf eine Aussage von ihm berufen zu können. Vor wenigen Tagen sagte er, viele Stimmen in der Volkspartei meinten, die ÖVP „soll auf alle Fälle einen Kandidaten aufstellen“, wenn es um die nächste Präsidentenwahl gehe. Und er ergänzte: „Auch ich halte das für vernünftig und gut.“ Damit ist er nicht alleine.

Zwei Drittel der Befragten und noch mehr ÖVP-Anhänger meinten in der zitierten Umfrage des Linzer market-Instituts im Frühjahr, die ÖVP solle einen Kandidaten für die Wahl nominieren. Unter den abgefragten möglichen Gegenkandidaten kam nur Pröll in nennenswerten Prozentsätzen an Fischer heran: Etwas über vierzig Prozent trauen ihm zu, die Sache gleich gut zu machen wie Amtsinhaber Fischer. Knappe 20 Prozent meinten, Pröll würde es besser machen als der amtierende Bundespräsident. In der Umgebung von Pröll wurden jedoch Vermutungen zurückgewiesen, man könnte mit dieser Umfrage zu tun haben. Solange Fischer zur Frage seiner – für möglich und wahrscheinlich gehaltenen – neuerlichen Kandidatur schweigt, wird Pröll sich nicht öffentlich äußern, ob er antritt. Dafür gibt es einen weiteren Zufall in der Causa: Für beider Kandidatur laufen bereits Kampagnen auf der Internet-Plattform Facebook. Unter dem Titel „Wiederkandidatur von Heinz Fischer“ werden für diesen und unter „Erwin Pröll soll Bundespräsident werden“ für Pröll via Internet Stimmen von Freunden gesucht. Vermutungen und Kontroversen blühen.

Die einen meinen, Pröll würde sich eine Niederlage gegen den Favoriten Fischer nicht antun, die ÖVP würde bei Fischers Antreten einen Zählkandidaten ins Rennen schicken. Sie sei es ihrem Stolz, ihrer Geschichte und ihrer Wählerschaft schuldig, bei einer Wahl etwas anbieten zu können – und zwar mehr als eine unverbindliche Empfehlung für den Amtsinhaber, einen Sozialdemokraten mit ruhender Parteimitgliedschaft. Daher, so meinen andere, werde es mehrere Kandidaten geben, etwa auch von der FPÖ und von den Grünen, für die hinsichtlich der Selbstbehauptung als Partei das Gleiche gelte. Damit könnte es aber unwahrscheinlich werden, dass Fischer im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit erhält und so zumindest geschwächt wird.

Heinz Fischer lässt sich noch Zeit – und kann es sich erlauben. Er würde mit einem enormen Amtsbonus in den Wahlkampf um die Hofburg gehen, gilt er doch als der vertrauenswürdigste Politiker des Landes. Sein Vertrauensindex – der Saldo aus „Haben Sie Vertrauen / Haben Sie kein Vertrauen in …?“ – beträgt bei Fischer 60 Punkte. Erwin Pröll kommt allerdings in seinem Bundesland auf einen Wert von 62 Punkten. Dem vom Umfrageinstitut OGM in Kooperation mit der Nachrichtenagentur APA erstellten Vertrauensindex zufolge hat Fischer einen „sehr ausgeprägten Amtsbonus“, so OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.

Da die Ansagen der Kandidaten fehlen, sind Entscheidungen über Karrieren ebenso offen wie jene über die politischen Kräfteverhältnisse. Die Sozialdemokraten haben die Schmach der Jahre, als von der ÖVP nominierte Bundespräsidenten in der Hofburg residierten, nicht verwunden. Um den Posten in ihrer Reichshälfte zu halten, wird die SPÖ weiter Fischer zur Kandidatur drängen. Wer, wenn nicht er? Der Stellungskampf hat begonnen, hat die große Koalition erfasst. So meinte Bundeskanzler und SP-Chef Werner Faymann unter Anspielung auf Finanzminister Josef Pröll und seinen ambitionierten Onkel Erwin: Die Familie Pröll sei im Höhenrausch. Hätte sie einen weiteren Verwandten, würde sie wohl den Nationalratspräsidenten haben wollen, witzelte Faymann. Um dann einem gemeinsamen Kandidaten der Koalition gleich vorzubauen: Die SPÖ stehe geschlossen hinter Fischer und werde für ihn kämpfen, kündigte Faymann an. Wenn Fischer nur endlich ja sagt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung