Alois Mock  - © Foto: APA/Georges Schneider (Archivbild vom 2.3.1994)

Alois Mock - oder: Der Non-Populist

19451960198020002020

Bei den Würdigungen für Alois Mock werden naturgemäß seine politischen Taten für die Öffnung Europas und den Fall des Eisernen Vorhangs in den Vordergrund gerückt. Doch Mock bemühte sich auch um die Zusammenarbeit der Religionen.

19451960198020002020

Bei den Würdigungen für Alois Mock werden naturgemäß seine politischen Taten für die Öffnung Europas und den Fall des Eisernen Vorhangs in den Vordergrund gerückt. Doch Mock bemühte sich auch um die Zusammenarbeit der Religionen.

Werbung
Werbung
Werbung

Es waren nicht immer Staatsoberhäupter oder Regierungschefs, die das Rad der Geschichte weitergedreht haben. Es waren oft ganz andere Persönlichkeiten, die wirklich nachhaltig agierten, indem sie mutige Schritte setzten, Entwicklungen beeinflussten und so zum Fortschritt der Gesellschaft beitrugen. Alois Mock war ein solcher maßgeblicher Politiker. Er gestaltete drei Jahrzehnte Österreichs Politik, auch wenn ihm der Posten des Bundeskanzlers verwehrt blieb.

Navigator

Liebe Leserin, lieber Leser

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.

Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.

Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

Viel ist in den Nachrufen bereits über Mock geschrieben worden. So, dass er es war, der schon frühzeitig erkannt hatte, dass Österreichs Platz nicht bloß eine Insel in der Mitte Europas sein kann. So, dass er lange bevor der Eiserne Vorhang durchschnitten werden konnte, in intensivem Kontakt mit den führenden Dissidenten stand. So, dass er beim Zerfall von Ex-Jugoslawien wesentlich dazu beitrug, die westlichen Staatskanzleien zu mobilisieren. Es gibt aber noch andere Zeichen, die Alois Mock gesetzt hat und die es verdienen, jetzt festgehalten zu werden.

Die Regentschaft des Populismus

Die Politik hat sich in den letzten Jahren verändert. Sie steht immer mehr und öfter unter dem Diktat des Boulevards, mittlerweile muss sie auch der Rund-um-die-Uhr-Präsenz in den Social Medias Tribut zollen. Breitenwirkung statt Tiefgang ist gefragt. "Populismus", einst ein noch etwas abschätzig genanntes Schlagwort, ist mittlerweile zum Handlauf so mancher Politiker geworden.

Mock war ein überzeugter Non-Populist. In all seinen politischen Handlungen ging es ihm um die bestmögliche Lösung für anstehende Probleme. Mehr noch, er hatte konkrete Vorstellungen von der politischen Gestaltung dieses Landes und seiner Gesellschaft. Und er verfolgte diese mit Beharrlichkeit sowie Ausdauer. Dazu gehörte auch, dass man sich Zeit nehmen musste, um zu überzeugen, ja auch, wenn nötig, um einen Meinungsumschwung herbeizuführen.

Was sich ja unter anderem in der Europapolitik zeigte und wahrscheinlich auch dazu geführt hatte, dass er an die Grenzen seiner eigenen körperlichen Belastbarkeit ging.

Das Werteverständnis, das Mock von seinem Elternhaus, von der Schulausbildung im Seitenstettener Stiftsgymnasium, auch von seiner Verbindung "Norica" mit auf den Lebensweg bekam, war für ihn kein "Beipackzettel". Es war Handlungsmaßstab und Auftrag. Als Christdemokrat, praktizierender Katholik und Politiker sah er darin auch seine Aufgabe, sich um grundsätzliche Anliegen seiner Kirche zu kümmern.

Signal für den "roten" Kardinal

Als in den 1970er-Jahren der Wiener Erzbischof und Kardinal Franz König den Dialog mit den Gewerkschaften und auch mit der Sozialdemokratie eröffnete, wurde er alsbald von so manchen Konservativen als "roter Kardinal" kritisiert. Mock hatte davon nie etwas gehalten. Er setzte vielmehr gegenüber der eigenen Partei ein starkes Signal und lud Kardinal König zu einer Aussprache in den Bundesvorstand des ÖAAB ein.

Kirche war für Mock ein umfassender Begriff, das Gespräch mit anderen Glaubensgemeinschaften ihm daher ein besonderes Anliegen.

Daraus wuchs eine sehr enge und stete Beziehung zwischen Mock und König, die aber weitgehend vertraulich blieb. So wie übrigens auch die Beziehungen, die Mock mit dem Vatikan pflegte. Auf seinen Auslandsreisen suchte er, wenn dies möglich war, nebst den offiziellen politischen Terminen auch den persönlichen Kontakt mit den Vertretern der drei großen Glaubensgemeinschaften. Ja, er insistierte geradezu auf diese Begegnungen in diktatorischen Staaten, um ganz bewusst als Demokrat und Christ ein Signal zu setzen, offene und vor allem ehrliche Solidarität mit den Bedrängten zu zeigen. Dass, wie es ein im Vatikan tätiger ehemaliger österreichischer Diplomat meinte, die Kirche der größte Geheimdienst der Welt sei, weil sie überall nicht nur offizielle Vertreter, sondern bis hinauf in die höchsten Staatsstellen Gläubige habe, mag da durchaus auch mit eine Rolle gespielt haben. Und sei es nur, um besser zu wissen, was wirklich in der Welt passiert, sowie die eine oder andere Botschaft auf die Reise zu schicken.

Kirche als umfassender Begriff

Die Wertigkeit, die der Vatikan für Mock hatte, zeigt ein vielleicht nur kleines Detail. Anfang der 1980er-Jahre war er als Präsident der Internationalen Demokratischen Union auf einer Fact-Finding-Mission in Mittelamerika. Nach seiner Rückkehr führte ihn sein Weg zum US-Präsidenten - und gleich danach nach Rom zum Heiligen Vater.

Kirche war für Mock ein umfassender Begriff, das Gespräch mit anderen Glaubensgemeinschaften ihm daher ein besonderes Anliegen. Dazu gehörte übrigens auch schon frühzeitig die Pflege des christlich-islamischen Dialogs. So machte er auf einer Reise nach Saudi-Arabien Mitte der 1980er-Jahre in Jeddah Station, um einen islamischen Gelehrten zu einem Gedankenaustausch zu treffen.

Und offenbar genoss der österreichische Politiker in der islamischen Welt hohes Ansehen. Als Kardinal Schönborn 2001 zu einer Friedensmission in den Iran reiste, wurde in den Diskussionen immer wieder darauf verwiesen, dass die Religionen gemeinsam den "Rettungsweg" zum Frieden zeigen müssen und der Dialog, den Mock angestoßen hatte, intensiv weitergeführt werden muss. Beim Staatsempfang für Schönborn rief Präsident Chatami fragend auf Deutsch in die erstaunte Runde: "Wo ist Alois Mock?"

Herbert Vytiska

Der Autor war Pressesprecher von Alois Mock.

Navigator

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 40.000 Artikel aus 20 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 40.000 Artikel aus 20 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung