Nach einem furche-Artikel wird gegen den Leiter der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Verleumdung ermittelt.
Eine Kopie des FurcheArtikels "Ungesetzliches Abschieben" (Nr. 39, 23. September 2004) liegt bei der Zeugeneinvernahme im Büro für interne Angelegenheiten des Innenministeriums auf dem Tisch. In dem Beitrag wird dem Leiter der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen, Herwig E., vorgeworfen, er habe den Asylantrag eines tschetschenischen Flüchtlings trotz ärztlich bestätigter Folterspuren und Traumatisierung abgelehnt. Abschiebungen traumatisierter Asylwerber sind jedoch ein Verstoß gegen das Asyl-Gesetz. "Eine haarige Sache", sagt dazu einer der ermittelnden Beamten.
Weiters belastet wird Herwig E. durch einen Vermerk, der auf dem ärztlichen Gutachten des Asylwerbers zu finden ist: "lt. Dr. E. Dublinverfahren fortsetzen". Gemäß dieser Notiz hat der Leiter der Erstaufnahmestelle also ausdrücklich angeordnet, dass trotz der ärztlichen Folter- und Traumatisierungsbefunde eine Abschiebung durchzuführen sei - Amtsmissbrauch?
Hinzu kommt, dass Herwig E. im besagten Furche-Artikel, den Rechtsbeistand des Asylwerbers, Michael Genner von Asyl in Not, bezichtigt hat, den inkriminierenden Vermerk im medizinischen Attest während des Berufungsverfahrens eingefügt zu haben. Laut Auskunft des Unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) waren Genner die Originaldokumente während des Berufungsverfahrens jedoch zu keiner Zeit zugänglich. Der Flüchtlingsbetreuer sieht sich deswegen vom Leiter der Erstaufnahmestelle Traiskirchen verleumdet.
Zweiter Verstoß gegen Gesetz
Mittlerweile liegt der Furche ein weiterer UBAS-Bescheid vor: Wieder ein tschetschenischer Flüchtling, wieder ein ärztliches Gutachten, das Folterspuren an Hand und Rücken bestätigt - und wieder wird der Asylantrag des Flüchtlings abgelehnt und er des Landes verwiesen. Die offizielle Begründung für dieses ungesetzliche Vorgehen lautet: "Nach Rücksprache mit dem Leiter der Erstaufnahmestelle Ost liegt aufgrund der vorliegenden ärztlichen Mitteilung keine medizinisch belegbare Tatsache vor, welche die Annahme rechtfertigen würde, dass der Asylwerber Opfer von Folter oder durch die Geschehnisse in Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein könnte."
Der UBAS weist diese Darstellung zurück und gibt der Berufung des Asylwerbers Recht, sein "Asylantrag wird zugelassen, der bekämpfte Bescheid behoben".
Im UBAS-Bescheid wird auch die große Verwunderung über die Vorgehensweise in der Erstaufnahmestelle Ost angesprochen: "Der angefochtene Bescheid lässt jede Auseinandersetzung mit der Ärztlichen Mitteilung gemäß Asyl-Gesetz vermissen." Und für ein juristisches Dokument ungewöhnlich, wird anschließend sogar in eine bildliche Sprache gewechselt, um dem Befremden über das Vorgehen in der Erstaufnahmestelle Ausdruck zu verleihen: "Es bleibt völlig im Dunkeln, warum die erstinstanzliche Behörde davon ausgegangen ist, dass keine medizinisch belegbaren Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber Opfer von Folter sein könnte."
Bleibt zu fordern, dass die Ermittlungen des Innenministeriums das vom UBAS diagnostizierte völlige Dunkel sehr schnell und bis in die letzten Winkel ausleuchten.