An Indiens heiligen Ufern

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"Der Ganges wird in Indien Ganga genannt, in respektvoller Anrede Gangaji, in liebevoller Hinwendung Ganga Mataji (Mutter Ganges). Sadhus (Eremiten) und Pujaris (Priester) kennen weitere 108 oder gar 1.000 Namen des Ganges. Es gilt ihnen als Sünde, Ganga Fluss' oder Wasser' zu nennen."

1.000 Namen für Ganges

Das Zitat, das Ilija Trojanow der Schilderung seiner Reise entlang des Heiligen Flusses der Inder voranstellt, offenbart nur eine Facette im Umgang mit Ganga. In Haridwar, wo der Fluss die Ebene erreicht, mögen die Pilger Lieder singen wie: "Siegreich sei Mutter Ganga... Wer an Dich denkt, dem werden alle Wünsche erfüllt..." In den großen Städten werden indes Abwässer in den Fluss geleitet, weil es Kläranlagen nur in ungenügender Zahl gibt, oder einfach infolge nonchalanter Bedenkenlosigkeit.

Glauben, wie Trojanow meint, die meisten Menschen tatsächlich, dass sie mit Blumengirlanden und Kokosnüssen dieses Sakrileg wieder gut machen können? Dass Ganga als Göttin schon über die nötige Kraft verfüge, "alle Sünden abzuwaschen"? Und wie geht ein Ingenieur mit dem Widerspruch um: Sein Fachwissen um die Wasserqualität müsste ihn davon abhalten, auch nur einen Zeh in Ganga zu stecken, als Hindu fühlt er sich aber angehalten, jeden Morgen sein Bad in eben dieser Ganga zu nehmen.

Dies sind nur einige Themen, die Trojanow in seiner Tour d'horizon anspricht. Das Reservoir, aus dem er schöpft, ist riesig: Mythologie, Religion, Epen und Legenden, Faktisches und Anekdotisches; dazu amüsante wie bizarre, verwirrende wie ärgerliche Erlebnisse während der Reise per Boot, Bus und Bahn.

Die Null erfunden - na und?

Kenner der Region werden den Eklektizismus des Autors an manchen Stellen mit Skepsis betrachten, Hindunationalisten seine kritischen Anmerkungen gar nicht schätzen. "Wir haben vor dreitausend Jahren die Null erfunden. Na und? ... Was nützt eine uralte Tradition, wenn sie zu einer derart gelähmten Gesellschaft führt?", lässt Trojanow einen in Sachen urbane Sauberkeit aktiven Bewohner von Kanpur zu Wort kommen.

Er selbst bemerkt: "Ideal und eigenes Verhalten, Privatsphäre und öffentliche Welt, Rhetorik und Realität fallen auseinander, bis es einen vor den Folgen graust."

In Indien. Und anderswo? An Gedankenanstößen, die über den Subkontinent hinausgehen, mangelt es nicht in Trojanows Buch, einer von vielen möglichen physischen und reflexiven Reisen entlang des Ganges.

AN DEN INNEREN UFERN INDIENS

Eine Reise entlang des Ganges

Von Ilija Trojanow

Carl Hanser-Verlag, München 2003, 200 Seiten, geb., e 14,90

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