Angst essen Freiheit auf

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Nun kann es also losgehen: Nach Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses der Nationalratswahl beginnt Werner Faymann im Auftrag des Bundespräsidenten mit den Gesprächen zur Regierungsbildung. Wir gelernten Österreicher werden 's mit Fassung tragen - wir sind ja diesbezüglich, spätestens seit 1999/2000, einiges gewohnt.

Das üble Spiel - all das verlogene Tarnen und Täuschen, das falsche Pathos, die leeren Gesten - hat ja außerdem schon im Wahlkampf begonnen. Und wir sind auch nach geschlagener Wahlschlacht nicht enttäuscht worden. Es ist, wie es (fast) immer war, die Eliten des politmedialen Komplexes haben sich praktisch darauf verständigt, den Herren Strache und Haider bei ihrem weiteren Aufstieg entsprechend behilflich zu sein und eine neuerliche Große Koalition anzustreben. Natürlich nur eine, die nicht einfach so "dahinwurstelt", wie etwa WKO-Präsident Christoph Leitl treuherzig versicherte …

Diskreditierung von Politik

Aber auch abseits dieses Mainstreams findet die fortgesetzte Diskreditierung von Politik statt. Oder wie will man beispielsweise die Vorgänge rund um das Treffen zwischen Josef Pröll und Heinz-Christian Strache anders bewerten? Heimlichtuerei, kryptische Andeutungen, vielsagendes Schweigen, verschleiernde Floskeln. "Gut" sei das Gespräch gewesen, "interessant" gar - aber Zusammenarbeit kein Thema … Na dann.

So oder so ähnlich wird es jetzt noch einige Wochen oder Monate weitergehen - und währenddessen wird das Vertrauen in die Politiker und damit, schlimmer noch, in die Politik selbst, in das System des demokratischen Rechtsstaats weiter sinken.

Mit dem Vertrauen in bestehende Institutionen ist es ja ganz generell zur Zeit nicht weit her - nicht nur die Politik, auch Medien, Kirchen, Interessensvertretungen et cetera sind davon betroffen. Die derzeitigen globalen ökonomischen Verwerfungen tun ein Übriges dazu, jenes Substrat an Grundvertrauen, an existenzieller Sicherheit aufzulösen, ohne welches eine offene, liberal verfasste Gesellschaft nicht gedeihen kann.

Es hat sich eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang gesetzt, weil die Eliten auf die zunehmende Verunsicherung mit vorschnellen Versprechungen und vorgeblich einfachen Antworten reagieren, die aber naturgemäß keine Verbesserung bringen, was Misstrauen und Unsicherheit weiter nährt … "Die Angst vor der Angst" hat das der Spiegel auf seiner dieswöchigen Titelseite genannt, mit der Unterzeile "Die gefährliche Psychologie der Finanzkrise".

Wer tritt der Angst entgegen?

Theoretisch wissen wohl alle, dass man dieser Eigendynamik nur begegnen kann, indem man diese dunklen Räume der Angst ausleuchtet, indem man gewusste, objektivierbare Fakten den subjektiv gefühlten Bedrohungen entgegenhält. Aber kann man damit Wahlen gewinnen? Oder am Boulevard im Kampf um Auflagen- und Verkaufszahlen punkten?

Da ist es dann doch einfacher, auf die bewährten Schemata zurückzugreifen: etwa zu erklären, dass man "keinen Tag" in einer Regierung mit den Rechtsparteien sitzen möchte - aber selbstverständlich jederzeit für punktuelle Zusammenarbeit offen zu sein. Oder wie beispielsweise das profil verlässlich nach jedem FP-Gewinn die Nazi-Nummer abzuspielen. Dort hat man nach dem einschlägigen Nachwahl-Cover ("Sieg …!" in Fraktur auf braunem Grund) in der aktuellen Ausgabe gleich drei mehr oder weniger gleichlautende Kommentare, die tapfer-trotzig das liebgewonnene dumpfe Österreich-Klischee pflegen, vor dem sich die eigene aufgeklärte Haltung dann umso lichter abheben kann.

Das erspart die Mühe der Differenzierung und lässt sich beliebig oft wiederholen - genauso wie die großkoalitionären Beschwörungen nach jeder Wahl.

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